Wie Tau Auf Meiner Haut
»Hast du schon etwas gegessen? «
»Nein, noch nicht.« Grace lächelte sie an. Es war ein zittriges Lächeln, aber es
war echt. Ihr tat alles weh, aber sie hatte ihren Frieden gefunden. Sie hatte zwar
keine Rache verübt, aber Ford und Bryant war Gerechtigkeit widerfahren. Und
das reichte aus.
»Hast du denn wenigstens versucht, etwas zu essen, oder hast du gleich
gewürgt? «
»Gewürgt.« Die morgendliche Übelkeit hatte sie vor drei Tagen ausgesprochen
heftig heimgesucht. Harmony hatte behauptet, je schlimmer die morgendliche
Übelkeit, je weniger wahrscheinlich wäre eine Frühgeburt. Wenn diese alte
Weisheit richtig sein sollte, dann sah Grace sich bis in den neunten Monat Hockey
spielen, ohne dass es dem Baby schaden würde.
Sie berührte ihren flachen Bauch. Sie war fünf Wochen schwanger, sie kannte
das genaue Zeugungsdatum. Sie würde die längste in der Geschichte der
Menschheit verbuchte Schwangerschaft haben, ein Baby, das 1322 gezeugt und
1998 geboren wurde. Da würde man nicht schlecht staunen. Zunächst war es ihr
merkwürdig erschienen, dass eine einzige Nacht bereits mit einer
Schwangerschaft enden sollte. Aber als sie an die Nacht zurückdachte, fragte sie
sich, wie sie ernstlich hatte annehmen können, nicht schwanger zu werden.
Sie dachte an Nialls Worte, dass er gerne ein normales Leben führen würde, eine
Frau und Kinder hätte. Vielleicht war er ja für ein »ganz normales« Leben nicht
geeignet, aber sie trug sein Kind, und er wusste noch nicht einmal etwas davon.
Er hatte sich vollkommen isoliert und sich außer der Last seiner Verantwortung
nichts gegönnt. Würde er sein Kind begrüßen oder sich abwenden?
Er würde es wollen, dachte sie. Eine große Zärtlichkeit und Leidenschaft
schlummerte in ihm. Von beidem hatte er sie bereits kosten lassen. Ein Mann wie
er würde seine Kinder vergöttern. Es wäre ein Verbrechen, ihm dieses Glück zu
versagen.
»Wirst du zurückgehen? « fragte Harmony, als sie vom Friedhof wegfuhren.
»Ich denke, ich sollte es tun. Vielleicht ist die Reise ja vollkommen überflüssig,
und er wird mich hierher zurückschicken. Aber wenn er mich lässt, dann würde
ich bleiben.«
»Mannomann«, staunte Harmony. »Das muss wirklich Liebe sein. Ich meine, eine
Frau gibt heißes Wasser, Zentralheizung, Chicago Hope und Sean Connery, Pizza
und Enchiladas auf - da muss der Mann noch eine Menge mehr zu bieten haben
als einen heißen Liebesknochen. Wenn du verstehst, was ich sagen will.«
»Das verstehe ich«, erwiderte Grace lachend. »Er hat ja noch die Burg.«
»Die ist doch grässlich zugig. Dann nimm lieber seinen großen, heißen
Liebesknochen. Sean Connery ist zwar eine begehrenswerte Sache, aber
immerhin tauschst du ihn ja wieder gegen einen Schotten ein, noch dazu gegen
einen, der dir dann auch gehört. Muss wohl am Wasser dort oben liegen, dass die
so viele Männer von der Sorte haben. Wann also wirst du die Sache in Angriff
nehmen? «
»Sobald ich wieder in Schottland auf Creag Dhu bin.«
»Wird es dem Baby schaden? «
Grace berührte ihren Bauch, wie sie es in letzter Zeit häufig tat. »Darüber habe
ich auch schon nachgedacht. Eigentlich wüsste ich nicht, warum. Es ist ja
Niedervolt, ich jedenfalls hatte nur etwas Muskelkater.«
»Soll ich dich nach Schottland begleiten? «
»Das wäre wunderbar. Hast du mal darüber nachgedacht, ganz mit mir
mitzukommen? «
»Auf gar keinen Fall. Ich werde dich vermissen, Grace. Du führst wirklich ein
aufregendes Leben. Aber unter gar keinen Umständen werde ich meine
modernen Bequemlichkeiten aufgeben, für keinen Liebesknochen der Welt, wie
groß auch immer er sein mag.«
Kapitel 27
»Heiliger Himmel! «
Grace hörte den Aufschrei, allerdings gedämpft, wie aus weiter Ferne. Sie
versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, zu schlucken, aber noch nicht
einmal ihre Kehle schien ihr zu gehorchen. Für eine endlos erscheinende Zeit
sank sie in die Dunkelheit zurück. Langsam wurde sie sich der Geräusche um sie
herum bewusst, spürte, wie sie sanft aufgehoben und weggetragen wurde. Ihre
Glieder hingen schwer wie Blei herab, und wie ein Neugeborenes konnte sie ihren
Kopf nicht heben.
Sie wurde auf ein Bett gelegt, spürte es weich in ihrem Rücken und öffnete
mühsam die Augen. Ein großes, kräftiges, besorgtes Gesicht mit kleinen
Zöpfchen an den Schläfen erschien verschwommen vor ihr. Wilde Freude erfüllte
sie. Niall! Sie wusste zwar nicht, was
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