Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)
und drehte mich zu Steven um. »War schön, dich zu sehen.«
Er folgte mir und verließ die Reihe. »Bist du mit ihm zusammen?«
Vielleicht hatte er das Recht zu wissen, wie sich alles entwickelt hatte. Wer weiß, was er sich ausgemalt hatte. »Nein, das war ich nie.«
»Also … War es dann letztendlich die richtige Entscheidung, mich zu verlassen?«
Was war er, ein Masochist? »Äh … ja. Nicht, dass du irgendetwas falsch gemacht hättest. Du bist ein wunderbarer Mensch. Trotzdem war es richtig.«
»Okay. Das ist wenigstens ehrlich.«
Mein Eis begann zu schmelzen. »Also, tschüs dann. Lass es dir gut gehen.«
»Ja, du auch.«
Als ich mich von ihm entfernte, empfand ich nicht etwa Schuldgefühle, wie ich erwartet hatte, sondern wunderte mich. Er war unglaublich nett, ein guter Kerl, all das, aber warum hatte ich mir je eingebildet, in ihn verliebt zu sein?
Ich erreichte unsere Decke gerade rechtzeitig für die Hummerszene in Annie Hall . Die, in der sie im Haus am Strand sind und überall Hummer über den Küchenfußboden krabbeln und einer verschwindet und Alvy sagt: »Er ist hinter dem Kühlschrank! Heute Nacht wird er in unser Bett krabbeln!« Normalerweise konnte ich mich an dieser Stelle kringeln vor Lachen, aber heute entlockte sie mir nur ein reflexhaftes, müdes Kichern.
Nicht lange danach erlaubte ich Todd, mich zu küssen, und es war gar nicht mal unangenehm. Nach dem Film fragte er mich, ob ich noch auf einen Drink zu ihm kommen wolle, aber ich vertröstete ihn auf nächstes Mal. Irgendwie war ich noch nicht bereit für seine Vorzüge.
Seufz.
Herbsttrübsal
Flüstern
Das Wetter in New York ist nie schöner als in den ersten beiden Septemberwochen. Die Sonne scheint warm vom blauen, wolkenlosen Himmel, und zugleich weht eine kühle Brise. Einige Blätter sind schon gefallen. Die übrigen, noch grün, flüstern bereits einen Abschiedsgruß.
Die Luft scheint mehr Sauerstoff zu enthalten, und man atmet tief und dankbar durch. Schönheit und Klarheit gehen Hand in Hand mit Wehmut und schmerzhaften Erinnerungen. Manchmal kann man sie nicht abschalten, die Bilder gewaltsamer Zerstörung, Schrecken und vor Angst und Verzweiflung verzerrter Gesichter, damals in einem anderen September. Man denkt daran, wie behutsam und sanft die Menschen, sogar Wildfremde, lange Zeit miteinander umgegangen sind, nachdem sie gemeinsam Zeugen unaussprechlicher Grausamkeit geworden waren. Man ist sich bewusst, dass die Erinnerung daran wohl niemals verblassen wird. Man akzeptiert das und versucht, ganz in der Gegenwart zu leben und den Blick nach vorn zu richten.
Rückverwandlung zur Jungfrau
Mein dreißigster Geburtstag fiel auf einen Montag, Pegs freien Abend. Sie lud mich in ein äthiopisches Restaurant ein paar Straßen von unserer Wohnung entfernt ein.
Ich trank zwei Gläser Wein und wurde ein bisschen sentimental.
Peg reichte mir ein Taschentuch. »Warum bist du traurig, Schatzi?«
»Bin ich gar nicht!« Ich putzte mir die Nase. »Ich bin sogar glücklich! Weil … ich endlich etwas Sinnvolles tue. Ich liebe meine Arbeit.«
»Das ist doch wunderbar, Grace!«
»Und ich habe gelernt, nein zu sagen. Sollte mein Leben mal wieder losrasen wie ein Güterzug ohne Bremsen, habe ich die Kraft, es anzuhalten. Es in eine neue Richtung zu lenken.«
»So, so.«
»Ich bin zwar noch nicht perfekt darin, aber ich habe erkannt, dass ich keine Entscheidungen aus Angst heraus treffen darf oder um die Erwartungen anderer zu erfüllen.«
»Das ist wirklich schwer.«
»Stimmt. Ich würde sagen, ich schaffe es zu fünfundsiebzig Prozent.«
»Wow. Grace wird erwachsen.«
»Ja, oder? Allerdings habe ich dreißig Jahre dafür gebraucht.«
Der Abend war ein wenig kühl für das kurze, bunt geblümte Sommerkleid mit Spaghettiträgern und die Sandalen, die ich trug. Für alle Fälle hatte ich das Geburtstagsgeschenk meines Vaters mitgenommen: einen scharlachroten, butterweichen Paschmina-Schal aus Seide und Kaschmir. Ich legte ihn mir um die Schultern, hakte mich bei Peg unter und erzählte ihr zum millionsten Mal, wie unendlich froh ich war, dass sie Teil meines Lebens war. Wie immer tätschelte sie mir dabei die Hand wie eine vernünftige, gütige Tante, aber natürlich freute sie sich, wenn man ihr sagte, dass man sie liebe.
Wir erreichten den Drugstore, und sie blieb stehen. »Wenn wir schon mal hier sind, möchtest du nicht noch ein bisschen Popcorn mit doppelt so viel Butter kaufen?«
»Welchen Film sehen wir uns
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