Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)
glaube, es würde dir gefallen. Ich bin in einem Haus mit Kamien und Putzfrau untergebracht! Sie hat mir hausgemachte Tommales mitgebracht! Bogue war für vier Tage zu Besuch und sie wollte kündigen, weil er so eine Sauerei gemacht hat!!! Muss jetzt für mein Abendessen singen. Alles Liebe. TGW
Ich setzte mich an den Tisch, nahm ganz in Gedanken einen Stift und begann, den Text zu korrigieren. Wozu diese ganzen Ausrufezeichen? Und Kami e n? Und Ha s selhoff, Davis, Jr. T a m( m )ales.
Peg kam herein und stand einen Moment an meinem Ellbogen, bevor ich sie überhaupt bemerkte. Ich blickte zu ihr auf. Sie machte ein ziemlich ungläubiges Gesicht.
Ich legte den Stift hin. »Sieht ziemlich übel aus, oder?«
»Äh, ja. Ein bisschen verrückt.«
»Ha! Muss ein Reflex sein. Ich … ehrlich, ich bin irgendwie verwirrt. Ich habe noch nie so viele bizarre …«
»Finger weg von der Postkarte, Grace.«
»Okay, ja … Schon gut.«
Ich lehnte fünf Einladungen zu einer Verabredung ab. Eine von einem Mann, den ich manchmal samstags in der Buchhandlung The Strand traf. Die vier anderen stammten von Felix, dem jungen Puertoricaner, der meine Einkäufe im Supermarkt einpackte. Ich hatte in der Nachbarschaft gerüchteweise gehört, dass er ein soziopathischer Computerfreak war. Er hatte Riesenärger mit dem FBI bekommen, weil er sich in die Websites großer Verkaufsunternehmen gehackt hatte, war aber nur zu gemeinnütziger Arbeit und Therapiestunden verurteilt worden, weil er noch minderjährig gewesen war.
Unsere Unterhaltungen an der Kasse liefen meist etwa folgendermaßen ab:
Felix: Hallo, mein Schatz. (Er packt meine Einkäufe ein. Küsst die Schachtel Tampons, bevor er sie wegpackt.)
Ich: Hallo, Felix. Lass das.
Felix: Wann erlaubst du mir endlich mal, dich richtig zu verwöhnen?
Ich: Nie.
Felix: Komm schon, Baby, warum nicht?
Ich: Zum Beispiel, weil ich neunundzwanzig bin und du erst fünfzehn?
Felix: Aber deswegen liebe ich dich nur umso mehr.
Ich: Vergiss es.
Felix: Du bringst mich um, Baby.
Ich: Okay, tschüs.
Wenn ich das Geschäft verließ, entfernte er sich von seinem Arbeitsplatz und lief mir hinterher, raspelte Süßholz und drohte, sich in meine E-Mails zu hacken.
Ich hätte mir einen anderen Supermarkt suchen sollen. Aber dieser war so nah! Und der einzige in der Gegend, der zwei Rabattcoupons auf einmal annahm.
An einem Sonntagabend im Juni liefen Peg und ich runter zum Drugstore, um uns etwas zum Knabbern zu holen. Wir hatten unser eigenes kleines Filmfestival gestartet und waren gerade dabei, uns alle Filme von Ingmar Bergman anzusehen. Heute Abend hatten wir uns das epische Drama Fanny und Alexander vorgenommen.
Es gab viel zu viele Sorten Mikrowellenpopcorn. Der Engel auf Pegs Schulter drängte uns sanft dazu, fettfreies zu wählen, doch der kleine rote Teufel auf meiner Schulter stampfte mit seinen gespaltenen Hufen. Funken flogen! Er wollte jede Menge Kinobutter und zwar mit aller Gewalt. Doch dann ertönte eine unverwechselbare Stimme, und plötzlich vergaßen wir das Popcorn. Wir drehten uns alle vier zum nächsten, an der Decke montierten Fernseher um.
Ein Musikvideo. Ich starrte auf eine Nahaufnahme von Tys Gesicht in Sepiatönen.
Ich kannte den Song, den er Playback sang. Er hatte ihn mir auf dem Klavier unter dem Hirschkopf vorgespielt, an jenem Sonntagmorgen letzten November. Nur war jetzt so viel mehr daraus geworden, fast eine Powerballade. Und es gab einen Text. Ich hörte ihn nur gedämpft. Das wenige, was ich davon verstand, verursachte mir Magenschmerzen.
Jetzt sah man ihn in einem schäbigen Lokal allein am Tisch sitzen, auf sein unberührtes Essen starrend. Er sang, dass er jemandes Geruch vermisste. Dann ging er eine verlassene Landstraße entlang, barfuß, in zerrissenen Jeans und einem alten T-Shirt, eine Gitarre in der Hand. Traurig. Sehnsüchtig. Gefühlvoll.
Da kommt langsam ein Mädchen auf ihn zu, ätherisch schön, mit langen blonden Locken, barfuß, in einem knappen Baumwollkleidchen. Sie begegnen einander in der Mitte der staubigen Straße. Sie weint. Sie berührt sein Gesicht. Die Gitarre fällt in Zeitlupe zu Boden, das blonde Mädchen liegt ihm in den Armen, und sie stehen ineinander verschlungen auf der Straße. Die Kamera entfernt sich von ihnen, und man sieht sie in Vogelperspektive, immer weiter entfernt, bis sie bei der letzten Note des Songs nur noch ein winziger Punkt auf einem Satellitenbild sind. In der linken unteren Ecke des Bildschirms
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