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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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einzigen Maßstäben für Erfolg wurden, wie der frühere IWF-Chefökonom Raghuram Rajan in seinem Buch Fault Lines schreibt.
    Nirgendwo sonst wurde das Renditestreben fortan mit derart hohen Boni belohnt, wobei die Bindung des eigenen Einkommens an die Aktienkurse dazu beitrug, dass die Beteiligten noch mehr Risiken eingingen, was aber nicht auffiel, weil ja alle mitmachten und die Kurse tatsächlich ewig zu steigen schienen. Prozyklisch. Je stärker die Wertpapiere zur Bonusaufhübschung gekauft wurden, desto mehr stiegen die Kurse – und die eigenen Einkommen. Was noch besser verständlich macht, warum es – anders als im Theoriemodell – doch so wenig stabilisierende Spekulanten gab. Wer ist denn so blöd, sich den eigenen Bonus kaputt zu machen, nur damit die Welt so funktioniert, wie es Milton Friedman versprochen hatte?
    Kurz vor Ausbruch der Krise verdienten die 25 bestbezahlten Hedgefonds-Manager sage und schreibe 14 Milliarden Dollar – unddamit »dreimal so viel wie alle 80 000 Lehrer von New York zusammen«, schreibt Paul Krugman in seinem Buch Vergesst die Krise . Dabei wurden im Lauf der Zeit nicht nur die Topleute immer großzügiger bezahlt. In dreißig Jahren Finanzglobalisierung raste der gesamte Einkommensschnitt bei Bankleuten hoch – mit einer enormen weiteren Beschleunigung seit Mitte der 90er Jahre. Nach den historischen Auswertungen von Thomas Philippon, die er im April 2009 veröffentlichte, lagen die Einkommen in der US-Finanzbranche 1990 immerhin bereits um 20 Prozent höher als die im Rest der Wirtschaft. Im Schnitt, wohlgemerkt. Zum Höhepunkt der Sause 2007 waren es sage und schreibe 70 Prozent. Die Banken machten (ohne Versicherungen und sonstige Finanzunternehmen) plötzlich ausgewiesene acht Prozent der Wertschöpfung – gegenüber nur 2,5 Prozent nach dem Zweiten Weltkrieg – und rund 40 Prozent aller Gewinne, die in der US-Wirtschaft erwirtschaftet wurden. Wahnsinn. Kein Wunder, dass es in den Banken so viel Geld zum Verteilen gab. Untereinander, versteht sich.
    Nun dürfte das inzestuöse Gehaltstreiben noch nicht reichen, um zu erklären, warum Einkommen und Vermögen im nationalen Maßstab so dramatisch auseinanderdrifteten. In Deutschland arbeiten 1,3 Millionen Erwerbstätige bei Banken und Versicherungen. Das ist eine ganze Menge, macht allerdings nur gut drei Prozent aller Beschäftigten – zu wenig, um das Gefälle ganz zu erklären. Der wichtigere Treiber der Ungleichheit dürfte die Explosion der Vermögenswerte samt Dividenden gewesen sein.
    Zur Erinnerung: Wer Anfang der 80er Jahre sein Erspartes in Aktien anzulegen begann und auf die Werte setzte, die später in den DAX-Index eingingen, hatte sein Vermögen gegen Ende des Jahrzehnts schon mehr als verdreifacht. Zu Hochzeiten des New-Economy-Booms lag der DAX sogar 16-mal so hoch wie vor Beginn der Finanzglobalisierung. Anders ausgedrückt: Wer 1982 mit umgerechnet 62 500 Euro eingestiegen war, war 18 Jahre später Millionär. Einfach so.
    Das hat einen relativ kleinen Teil der Bevölkerung ziemlich reich gemacht. Als die märchenhafte Börsenfreiheit einsetzte, gab es in Deutschland gut drei Millionen Aktionäre. In dieser Größenordnung (höchstens) dürfte die Zahl derer liegen, die ihr Vermögen imSchlaf seitdem vervielfachen konnten – und heute in reichen Orten im Taunus ihr Vermögen walten lassen. Glück der rechtzeitigen Geburt. Dazu kommen diejenigen, die über Lebensversicherer und andere am Boom noch teilhaben durften. Wobei anzunehmen ist, dass beide Gruppen vor allem Bezieher von ohnehin schon hohen Einkommen waren. Zwischenzeitlich gab es sogar mal 6,2 Millionen (Volks-)Aktionäre im Rauschjahr 2000 – immer noch eine Minderheit –, die in der Kollektiveuphorie an den Zauber glaubten und einstiegen, bevor sie das schöne Geld im Crash wieder verloren. Pech der späteren Geburt. Seitdem gab es mit Aktien nicht mehr so viel zu gewinnen.
    Der Rausch der 80er und 90er Jahre wirkt derweil bei vielen nach. Beim Start der Finanzglobalisierung lag das Geldvermögen aus Aktien, Rentenwerten, Fonds, Versicherungen und anderen Anlagen in Deutschland bei umgerechnet 700 Milliarden Euro. Dreißig Jahre später war es siebenmal so hoch – bei lediglich einer Verdreifachung der Wirtschaftsleistung in dieser Zeit. Das durchschnittliche Volkseinkommen je Einwohner ist heute nur etwas mehr als doppelt so hoch – Kaufkraftverluste nicht abgerechnet. Umso eindeutiger und einseitiger sind die Vermögen verteilt.

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