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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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Ergebnis hat die Schwankungsanfälligkeit der Rohstoffkurse seit den 2000er Jahren stark zugenommen – mit zeitweise dramatischen Folgen für die Ernährungslage in Entwicklungsländern. Ökonomisch wurden da Ressourcen durch absurde Preise fehlgelenkt. was es Unternehmen erschwert, verlässlich zu kalkulieren.
    Die Preissprünge verleiten auch zu wirtschaftspolitischen Fehlern. Als im ersten Halbjahr 2008 die Rohstoffkurse enorm anzogen, reagierten die Währungshüter der Europäischen Zentralbank mit hastigen Zinserhöhungen – aus Angst, höhere Benzinpreise könnten dauerhaft Inflation und Lohnexzesse fördern. In Wirklichkeit trugen die hohen Ölpreise vor allem dazu bei, den konjunkturellen Absturz vom Sommer zu beschleunigen – ebenso wie es die höheren Zinsen der EZB taten. Die höheren Refinanzierungskosten trugen dazu bei, dass manch angeschlagene Bank ab September in große Schwierigkeiten geriet und das Finanzsystem zu wackeln begann. Ein hoher Preis dafür, dass sich Investoren mal wieder in eine absurde Preisblase gesteigert hatten, die kurz darauf platzte.
    All diese Erfahrungen lassen es als eher bizarr erscheinen, bei der Lösung von Krisen auf die Wunderkraft freier Wechselkurse zu zählen – weil die Märkte für Korrekturen sorgen könnten, wenn ein Land mal in Schwierigkeiten gerät. Das klingt in der Theorie toll, und es hat auch sicher gelegentlich geholfen. In derüberwiegenden Praxis wirkt das angesichts regelmäßig gagaesker Kapriolen naiv.
    Rasantes Einkommensgefälle
    Bisher ging es vor allem darum, welche Schäden in drei Jahrzehnten Finanzglobalisierung entstanden, weil die Märkte zu absurden Kapriolen neigen, weil das System einen steten Hang zum Übertreiben hat, statt als stabilisierende Kraft zu wirken, wie es die Vordenker sich ausgedacht hatten. Die Finanzglobalisierung dürfte noch zwei weitere zweifelhafte Megatrends der vergangenen Jahrzehnte stark angetrieben haben: die atemberaubende Verschärfung der Einkommensgefälle und die steigende Verschuldung, was beides durchaus zusammenhängt, wie wir jetzt sehen werden.
    ***
    Seit die Finanzwelt in den 70er Jahren zum Höhenflug losgelassen wurde, sind in den großen Industrieländern die Einkommen auseinandergedriftet – in ähnlich spektakulärem Ausmaß. Vor allem dort, wo die Finanzmärkte am schnellsten dereguliert wurden. Purer Zufall? Eher nicht.
    Nach historischen Auswertungen von Thomas Piketty und Emmanuel Saez lag das durchschnittliche Einkommen des reichsten Prozents der US-Bevölkerung Mitte der 70er Jahre bei 500 000 Dollar, wenn man die heutige Kaufkraft ansetzt. Mitte der 2000er Jahre waren es bereits 2 Millionen Dollar. Umgekehrt haben die realen Durchschnittseinkommen der Amerikaner seit den 70er Jahren nur noch mäßig zugenommen. Mit dem Ergebnis, dass in den USA heute das Einkommen der reichsten 20 Prozent mehr als achtmal so groß ist wie das ihrer Landsleute im untersten Fünftel der Bevölkerung. 5 Ähnliches gilt für das zweite Mutterland der Finanzglobalisierung, Großbritannien. Das obere Fünftel der Briten kriegt mehr als siebenmal so viel wie das untere. In Deutschland liegt der Multiplikator nach etlichen Jahren ähnlichen Einkommensgefälles auch schon bei fast sechs.
    Jetzt ist das noch kein Beleg, dass dahinter (nur) die Finanzglobalisierung steckt. Zum steigenden Einkommensgefälle dürften auch technologische Sprünge und die neue Billigkonkurrenz der Schwellenländer beigetragen haben, die Hochqualifizierte weniger trifft. Beides übt Druck besonders auf jene aus, die weniger qualifiziert sind und deshalb als erste Jobs und Einkommen verlieren. Ob sich der atemberaubende Höhenflug der Höchsteinkommen damit hinreichend erklären lässt, ist allerdings fraglich.
    Nirgendwo sind die Ansprüche an die eigenen Gewinne so stark gestiegen wie in der Bankenbranche. Was bekanntlich den damaligen Chef der Deutschen Bank Josef Ackermann dazu brachte, den staunenden Normalsterblichen 25 Prozent Rendite als normales Ziel zu erklären – weil die anderen das auch haben. Hinreißend. Dahinter steckte, was Andrew Haldane von der Bank of England als Rüstungswettlauf der Finanzbranche bespöttelte. Irgendwann hat es offenbar einen Erwartungssprung gegeben, mussten Renditen viel höher ausfallen als vorher. Und die Erwartung erfüllte sich rasch selbst. Dass dies so kam, habe auch daran gelegen, dass die Beschäftigten der Finanzbranche keine realen Werte schaffen und deshalb Profite und Boni rasch zu

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