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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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und Fluchtreflexe mehr als nüchterne Diagnosen.
    Gibt es in einem Land gerade höhere Zinsen, wird schnell die betreffende Währung gekauft, was den Kurs hochtreibt. Was auch die (künftigen) Zinsen weiter hochtreibt, ebenso wie den Wechselkurs der mithin stärker nachgefragten Währung – und die Anfangsspekulation wieder einmal bestätigt. Nur so lässt sich erklären, warum die Mark Anfang der 90er so widersinnig aufwertete, selbst dann noch, als die Schwäche der Wirtschaft schon bemerkbar war: Die Verzinsung lag in Deutschland auch höher, weil die Marktakteure einen größeren Finanzierungsbedarf über Staatsschulden ausgemacht hatten. Das zog Anleger an. Da reicht manchmal schon die Spekulation über eine künftige Lockerung der US-Geldpolitik, um den Dollar stürzen zu lassen. Zudem galt an den Märkten damals noch die Daumenregel, dass Deutschland dank Einheit jetzt wirtschaftlich stark werden und mehr Rendite bieten würde. Kaufen! Was ja nicht unbedingt das ist, was dann folgte.
    Dazu kommt eine besondere Tücke: Je schneller Devisen global gehandelt werden konnten, desto mehr bestimmten zinsgetriebene Dreiecksgeschäfte den Trend. Dabei nahmen Investoren Kapital in Niedrigzinsländern wie Japan auf, um mit dem Geld, sagen wir, hoch verzinste brasilianische Staatsanleihen zu kaufen. Super Geschäft. Was mit Fundamentaldaten nur noch wenig zu tun hat und groteske Ergebnisse mit sich bringt. Das Phänomen dieser »CarryTrades« erklärt, warum der Yen inmitten einer herben Wirtschaftskrise dramatisch auf- statt abwertete, was den eigentlichen Sinn von Wechselkursen pervertiert und die Notenbank zeitweise zu heftigen Interventionen veranlasste, um weiteren Unsinn zu verhindern. Und anders als im Lehrbuch bleibt ja auch das Risiko aus, dass der Real plötzlich abstürzt – im Gegenteil: Die Carry Trades treiben die Währung ja noch hoch.
    Eher absurd. Normalerweise lassen hohe Zinsen darauf schließen, dass die Konjunktur im betreffenden Land zum Beispiel ziemlich hochtourig läuft und die Inflation damit steigt, was wiederum allmählich die Wettbewerbsfähigkeit schmälert. Wenn das so ist, müsste die Währung nach Lehrbuch dann aber ab- statt aufwerten – und müssten vermeintlich stabilisierend wirkende Spekulanten darauf wetten und eine Autokorrektur auslösen.
    Tun sie aber nicht. Im Gegenteil: Die Hatz nach hohen Zinsen macht alles nur noch schlimmer, zumal eben die Spekulanten mangels Wissen um das vermeintlich wahre Gleichgewicht der Herde hinterherlaufen. Dann lohnt die Spekulation nach oben. Dann trägt die scheinbar tolle Aufwertung das Drama in sich: dass es irgendwann doch kracht – weil steigende Preise und Wechselkurse zum Kollaps der Wettbewerbsfähigkeit führen.
    All das ist schon ziemlich weit von der hehren Annahme weiser Märkte entfernt. Dazu kommt im Krisenfall noch ein anderer irrsinniger Reflex: die Flucht in vermeintlich sichere Werte und in möglichst große (liquide) Märkte. Dieses Phänomen führt fast automatisch dazu, dass die entsprechenden Währungen übermäßig aufwerten, was wiederum nicht unbedingt mit der realen Lage zu tun hat, die womöglich gar nicht so gut ist. Dieser Reflex trug zum völlig überzogenen Höhenflug der Mark bei, als 1992 die Krise im Europäischen Währungssystem ausbrach. Dieser Reflex wirkte auch, als in der Euro-Krise 2011/12 panische Investoren in den Schweizer Franken flüchteten. Der Anziehungseffekt großer Währungen dürfte mit erklären, warum der Dollar in der Großen Finanzkrise nicht abgestürzt ist – trotz enormer Staatsschulden.
    Aus individueller Perspektive scheint auch das erstmal rational zu sein. In der Summe führen solche Reflexe aber zu perversen Effekten. Der latente Hang, in die sichere Währung zu gehen, führt jenseits kurzfristiger Schwankungen zu einer Aufwertungstendenz bei der vermeintlichen Retterwährung und im akuten Krisenfall wegen des Herdentriebs zu einem absurden Überschießen des Wechselkurses, so wie das in der Euro-Krise beim Schweizer Franken der Fall war.
    Das Tückische: In dem Land, dessen Währung übertrieben aufwertet, nehmen wegen der aufwertungsbedingt verteuerten Exporte irgendwann die wirtschaftlichen Probleme zu – obwohl es anfangs gar keine Krise gab. Gleichzeitig haben Länder mit Fluchtwährungsstatus das zweifelhafte Privileg, dass sie sich mehr Schludern leisten können, ohne gleich unter Druck der Märkte zu kommen. So wie die Deutschen, die trotz jahrelanger Stagnation in den

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