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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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würden. Beides habe allerdings nur begrenzt gewirkt, sagt der Berliner Wirtschaftshistoriker Carl-Ludwig Holtfrerich. Die Steuern waren ohnehin nicht so hoch. Und die Bosse hielten sich an das Versprechen nur solange, bis ihnen die Depression keine andere Wahl mehr ließ. »Da war viel Seelenmassage dabei«, sagt Holtfrerich.
    Ansonsten habe Hoover auf »no-business-meetings« gesetzt, so Galbraith. Da galt der Leitsatz: Wenn eine Bank Schwierigkeiten hat, muss sie im Zweifel halt pleite gehen. Was zu der enormen Zahl von 4000 Zusammenbrüchen allein 1932 führte. Dafür waren Hoover und seine Leute von der Angst gepackt, dass es zu einer Inflation kommen könnte. Für sie zählte vor allem, dass der Staatshaushalt zu sanieren sei (klingt ganz nach Jens Weidemann). Was wiederum dazu führte, dass Hoover unter allen Umständen daran festhielt, den Dollar am Goldstandard gebunden zu halten, und er nicht abwerten wollte, weil das die Importpreise erhöhen würde – obwohl die amerikanische Währung als überbewertet galt und dies den Export schwächte. Ende 1931 wurde mitten in der Krise gar der Diskontzins angehoben, was alles nur noch schlimmer machte. Die Exportwirtschaft wurde stattdessen durch zweifelhaft hohe Importzölle protegiert.
    All das verschärfte in Wirklichkeit die Krise dramatisch, wie Wirtschaftshistoriker heute urteilen. Banken verschwanden, und wenn sie das nicht taten, kappten sie ihre Kredite, während Unternehmen und Verbraucher wie panisch ihre Ausgaben reduzierten, um Schulden abzubauen. Was zu einer Spirale führte, bei der sich die Kürzungen von Ausgaben und Wirtschaftsleistung gegenseitig verstärkten. Von wegen Inflation: Da drohte das Gegenteil, wie sich 1931 zeigte – eine Deflation, bei der unter heftigem Kriseneindruck Preise und Löhne drastisch zu fallen begannen, was die Abwärtsspirale noch beschleunigte, weil niemand mehr viel Geld ausgab. Da wirkte ein kollektiver Drang, Liquidität abzuziehen, um sich zu entschulden. Weshalb Notenbanker später die Lehre zogen, in so einer Situation Geld zuzuschießen, um auf diese Weise die Abwärtsspirale zu bremsen und Schlimmeres zu verhindern.
    In einer derartigen Lage die Zinsen anzuheben, wirkte ebenso verschärfend wie die Anhebung der Importzölle, die de facto dazu beitrug, dass der Welthandel kollabierte. Allein von 1929 bis 1933 fielen die Exporte Deutschlands und der USA um 60 bis 70 Prozent. Die Bindung an den Goldstandard verhinderte, dass die Notenbank Liquidität ins System schießen konnte, um den Banken zu helfen, die – teils auch unverschuldet – in den Abwärtssog geraten waren. Als zweifelhaft erwies sich da auch Hoovers Ziel, schnell die Staatsdefizite abzubauen und dafür im Zweifel Steuern anzuheben, wie es der Präsident 1932 tat. Im Ergebnis führte das nur zu weiter schrumpfender Kaufkraft und noch schärferer Depression.
    Nach Diagnose des großen Wirtschaftshistorikers Barry Eichengreen unterschätzten Regierung und Notenbank selbst nach 1933 noch, welche Gefahren eine solche Depression mit sich bringt, wie hartnäckig sie wirkt – und wie heikel es ist, in einer solchen Zeit, in der sich Unternehmen wie Konsumenten zu entschulden versuchen, auch noch Staatsschulden abbauen zu wollen. Als die US-Wirtschaft 1936 wieder anzuziehen schien, verschärfte die Notenbank im Glauben an die Überwindung der Krise ihre Mindestreservestandards für Banken, während die Regierung ihre vorher stark ausgeweiteten Ausgaben – nach vermeintlich erfolgreicher Mission – nun wieder zurückzuführen versuchte. Zu früh offenbar. Die Wirtschaft war nochnicht wieder robust genug. Ergebnis: 1937 stürzten die USA zurück in die Rezession. Richtig zu Ende ging die Depression eben erst, als die Regierung mit dem Kriegseintritt ein enormes militärisches Konjunkturprogramm startete.
    Ähnliches erlebten in den 90er Jahren die Japaner, bei denen Notenbanker und Regierung nach dem Platzen der Immobilienblase ebenfalls lange zögerten – und 1997 vorschnell die Steuern anhoben. Kurz darauf war die Wirtschaft wieder in der Rezession, da steckte das Land in einer hartnäckigen Deflation.
    Was für die USA Anfang der 30er Jahre gilt, gilt auch für Deutschland, wo Reichskanzler Heinrich Brüning bis 1932 einen noch strikteren Kurs verfolgte als Hoover, der immerhin, wie gesehen, wenigstens ein bisschen Steuern senkte und krisenbedingte Staatsdefizite nicht sofort und ganz so rabiat wie Brüning auszugleichen versuchte. Das Ergebnis ist

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