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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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stark umgekehrt proportional. Weniger Regulierung, höhere Gehälter – und umgekehrt.
    Was die Branche mit dem Regulierungsschub erlebte, geht weit darüber hinaus, Gehaltsstrukturen nur ein bisschen anzupassen. Da wurde ein Berufsstand fast komplett umgestellt. Was in den 50er bis 70er Jahren folgte, war eine andere Natur des Finanztreibens: die Ära des »boring banking«, in der es vor allem darum ging, Spareinlagen zu verwalten und das Geld (sehr begrenzt) zu verleihen. Eine Ära, in der das Alltagsleben der Banker von der damals bekannten 3-6-3-Regel geprägt gewesen sei, so Moritz Schularick: Die Banker nahmen morgens für 3 Prozent Geld auf, um es mittags für 6 Prozent zu verleihen – und um drei auf dem Golfplatz zu sein.
    »Investmentbanken wie Goldman Sachs kannte damals kein Mensch«, sagt Schularick über die Nachkriegszeit in den USA. Bis in die 90er Jahre habe es ohnehin so gut wie keine landesweiten Banken gegeben. Die ersten Hedgefonds wurden erst in den 50er Jahren gegründet und blieben danach lange Zeit bedeutungslos. Zumindest in Ländern wie Deutschland war in dieser Zeit auch wenig Geld mit Aktien zu verdienen. Die Kurse bewegten sich über Jahrzehnte kaum.
    Vorläufiges Fazit: Es geht auch ohne. Und: Es gibt offenbar auch eine Zeit nach dem Bankenirrwitz.
    Wer heute davor warnt, wie schlimm es der Wirtschaft ohne all die schönen Derivate und Verbriefungen und Hochfrequenzgeschäfteginge, muss zumindest eine überzeugende Begründung liefern, warum es in den 50er bis 70er Jahren auch ohne lief. Warum soll eine Wirtschaft gleich untergehen, wenn die Banken auf einst erprobtes bescheidenes Maß schrumpfen und streng geregelt mit unserem Geld umgehen? Auch wenn dabei die eine oder andere Zauberei entfällt, mit der in der Zeit der großen Finanzglobalisierung viel spekulativer Profit zu machen war.
    Guckt man sich ein bisschen um, springen einem auch heute ein paar Beispiele dafür ins Auge, dass es bei relativ hoher Regulierung der Finanzmärkte sogar besser läuft. Bestes Beispiel dafür sei China, sagt der Wirtschaftssachverständige Peter Bofinger. Dort gibt es noch heute einen fest geregelten Wechselkurs, strikt limitierte Kapitalbewegungen und ziemlich streng regulierte Banken. Das Land ist dennoch über Jahrzehnte atemberaubend gewachsen. Vielleicht sogar deshalb, wie die bereits zitierten Studien von Dani Rodrik nahelegen.
    Die Zeit nach dem Crash 1929 zeigt, dass es möglich ist, sich aus einer so überdrehten Zeit wieder zu verabschieden. Und dass die Welt davon nicht untergeht – auch wenn noch zu klären ist, wie stark die Banken heute schrumpfen sollten und was jetzt übrig bleiben kann und muss.
    Dritte Lehre: Wie man den Ausstieg nicht macht
    So sehr die Zeit von 1933 an Lehrmaterial bietet, um zu erkennen, wie eine aufgeblähte Bankwirtschaft zu entlüften ist, so sehr haben die Jahre davor gezeigt, welche katastrophalen Fehler im Krisenmanagement gemacht werden können. Auch daraus lässt sich eine Menge lernen – darüber, wie man die nötige Bereinigung von Exzessen nicht angehen sollte. Und welches Tempo geeignet ist, größere Desaster zu verhindern.
    Der Streit geht im Kern darum, ob man eine Finanzblase rasch und ungebremst platzen lassen sollte, ohne einzugreifen, weil nur durch so einen Schock die Vermögensexzesse verschwinden. Das war nach dem Crash 1929 die These der Liquidationisten. Oder ob man die Folgen und Kollateralschäden erst auffangen muss, selbstwenn das bedeutet, dass die bösen Banken auch noch Geld kriegen und gestützt werden. Eine Frage, die auch in der Krise seit 2007 die Gemüter erhitzte. Wobei jetzt deutsche Währungshüter den Part übernahmen, sich gegen (viele) Eingriffe zu stemmen; was insofern pikant ist, als die Deutschen ja nach 1933 keine über so viele Jahre anhaltende Große Depression hatten – dafür die Nazis, die für staatlich angeordnete Beschäftigung sorgten (was Deutschland menschlich, politisch und wirtschaftlich am Ende viel teurer kam). Das könnte erklären, warum in den USA das beherrschende wirtschaftspolitische Trauma die Große Depression ist und in Deutschland dagegen immer noch die Hyperinflation aus den 20er Jahren.
    US-Präsident Hoover hielt es eher mit den Liquidationisten. Noch Ende 1929 ließ er als Reaktion auf einbrechende Wirtschaftsdaten zwar die Steuern senken. Und Industriebosse mussten hoch und heilig versichern, die Krise nicht dadurch zu verstärken, dass sie Personal und Investitionen abbauen

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