Wie Viel Bank Braucht der Mensch?
gehalten, die auf Selbstheilung der Branche zählten. Wie Galbraith später spottete, setzte der mehr oder weniger hilflos wirkende Präsident in den Monaten nach dem Aktiensturz viel darauf, Industrielle und Finanzbosse zu stundenlangen Konferenzen zusammenzurufen, um so das Gefühl zu verbreiten, dass etwas getan werde. Und im März 1930 zu deklarieren, die schlimmsten Folgen der Krise seien in zwei Monaten behoben. Von wegen.
Als erstes ließ Roosevelt, kaum im Amt, 1933 das Bankennotstandsgesetz verabschieden, mit dem eine viertägige Schließung aller Geldhäuser verfügt wurde. Um wieder öffnen zu dürfen, musste jede Bank belegen, dass sie finanziell einigermaßen gut aufgestellt war. So sollten die Kunden der verbleibenden Banken Vertrauen darin fassen, ihr Geld nicht zu verlieren: Panik gestoppt.
Was folgte, war eine Reihe von Gesetzen, die teils bis heute die Finanzbranche prägen. Dazu zählte der später berühmt gewordene Glass-Steagall-Act von Mitte 1933, nach dem Geschäfts- und Investmentbanken voneinander getrennt wurden, um zu verhindern, dass Verluste im spekulativen Geschäft der Investment-Abteilungen das normale Tagesgeschäft schädigen. Seitdem durften Geschäftsbanken in den USA weder Wertpapiere und Aktien ausgeben oder handeln noch Versicherungen unterschreiben – bis 1999 die US-Regierung unter Bill Clinton entschied, diese Trennung formell wieder aufzuheben.
Zu den großen Reformen gehörte auch eine Einlagensicherung, bei der von 1934 an ein steigender Teil der Ersparnisse von Bankkunden durch einen Fonds garantiert wurden – was dazu führte, dass es auf Anhieb keine Panikstürme auf vermeintlich angeschlagene Banken mehr gab (in Deutschland wurde der Einlagensicherungsfonds erst zwei Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt, ähnlich wie die Bankenaufsicht 1963/64). Fortan mussten Banken in den USA auch mehr Eigenkapital vorhalten. Und es wurde unterbunden, Aktien auf Pump zu kaufen.
Die US-Notenbank hatte nun auch mehr Kompetenzen, die Banken zu beaufsichtigen, und es gab erstmals Standards für den Handel mit Aktien, die Tätigkeit von Anlageberatern und den Umgang mit Investmentfonds. Unternehmen mussten viel mehr Informationen offenlegen. Mit dem Börsengesetz 1934 wurde zudem die Security and Exchange Commission (SEC) gegründet, die US-Aufsichtsbehörde für den Finanzmarkt, die es noch heute gibt, deren Existenz allerdings neue Finanzkrisen nicht verhinderte, worauf wir noch zurückkommen werden.
Zum neuen Regime gehörte auch, dass vor allem die USA und Großbritannien nach dem Krieg dafür sorgten, ihre kriegs- und crashbedingten Staatsschulden forciert abzubauen – Stichwort »financial repression«. Da gab es über viele Jahre sowohl Obergrenzen für Zinsen auf Staatsanleihen als auch die Verpflichtung für Fonds, einen bestimmten Anteil ihres Portfolios mit Staatsanleihen zu bestücken – was auch dazu beitrug, dass die Finanzminister entsprechend niedrige Zinsen zu zahlen hatten. Mit der Konsequenz, dass den Banken in den Nachkriegsjahrzehnten entsprechend weniger Möglichkeiten blieben, mit höheren Zinsen hohe Gewinne zu machen.
Auf internationaler Ebene kam hinzu, was die Regierungen 1944 in Bretton Woods beschlossen hatten: die Einrichtung eines Festkurssystems für Wechselkurse. Weil jedes Land seine Währung seither an den Dollar koppeln und den vereinbarten Kurs garantieren musste, war auch der Kapitalverkehr de facto unter Kontrolle. Es wurde bestimmt, wie viel Geld ein Einzelner ins Ausland transferieren durfte. Damit entfiel im Grunde die Möglichkeit, auf Devisenmärkten schnell zu spekulieren und Geld zu machen.
Dass all diese Regulierungen in der Summe maßgeblich zum Bedeutungsverlust der Banken beitrugen, lässt sich daran ablesen, welche Qualifikation in der Branche seither gefragt war. Wie Philippon berechnete, nahm in und nach den 30er Jahren der Anteil der Jobs in der Bankenwelt stark ab, bei denen komplexere Fähigkeiten und gute Mathematikkenntnisse verlangt wurden. Dafür stieg die Zahl der Stellen, bei denen es um Routine ging. Naheliegend: Je weniger es darum gehen durfte, ausgetüftelte Modelle für Investmentbanker zu entwickeln, desto mehr reichte es, einfache Rechenarten zu beherrschen – und, sagen wir, Scheine zu zählen, wenn der Kunde Geld auf sein Konto einzahlen oder abheben wollte.
Philippon setzte die Bezahlung der Banker zum Grad der Regulierung in der Branche ins Verhältnis. Ergebnis: Beides entwickelte sich
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