Wie Viel Bank Braucht der Mensch?
fördern.
Es bleibt frustrierend zu sehen, dass die Menschheit ein paar Jahrzehnte nach 1929 erneut das Experiment gestartet hat, Finanzmärkte sich selbst zu überlassen. Es ist auch nicht sonderlich ehrenwert für die Zunft der Ökonomen, die das Glück freier Kapitalmärkte herzlich naiv über dreißig Jahre gepredigt haben und die frühen Warnungen kritischer Kollegen wie Charles Kindleberger und Hyman Minsky ignorierten. 3
Der Blick in die Geschichte lohnt. Zur Vorbereitung eines erfolgreichen Bankenausstiegs gehört die Erkenntnis, dass es kein Schicksal ist, in einer Welt zu leben, in der Banken den Ton angeben. Und dass die Menschen schon mal vor der Aufgabe standen, das abzuändern. Bliebe vorab noch zu klären, wie stark die Branche schrumpfen sollte.
Wie viel Bank braucht der Mensch?
1 Diese Zahlen spiegeln alleine die Kosten und den unmittelbaren Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt; das Volumen gehandelter Wertpapiere und Kredite übersteigen das BIP ja um ein Vielfaches.
2 Für Deutschland gibt es weniger belastbare Statistiken als für die USA, die Werte dürften oft niedriger, in der Tendenz aber ähnlich ausfallen.
3 Die Erstausgabe von Kindlebergers Werk Manien, Paniken, Chrashs über die Geschichte der Finanzkrisen erschien bezeichnenderweise 1978, kurz vor der neuen Liberalisierung; in diese Zeit fielen auch die Diagnosen von Minsky, der erst in der Krise nach 2007 (wieder)entdeckt wurde.
2. Wie viel Bank darf’s denn sein?
Es ist relativ einfach, auf Banken zu schimpfen und Schrumpfung zu empfehlen. Es ist weit schwieriger zu definieren, was das heißt. Zumindest wenn es durchaus sinnvolle Dinge gibt, die Banken machen. Kaum eine Kneipe könnte aufmachen, wenn es nicht jemanden gäbe, der dafür einen Kredit gibt. Geschweige denn Unternehmen mit High-Tech-Potenzial, denen zum Start entsprechendes Eigenkapital fehlt. Wer hat schon auf Anhieb so viel Geld auf dem Konto? Selbst größere Mittelständler und Konzerne, die viel gespart haben, kommen nicht umhin, Investitionen auch mal auf Kredit vorzufinanzieren.
Bis zu einem gewissen Grad sei es für ärmere Länder wichtig, einen Finanzsektor aufzubauen, der bei der Entwicklung für das nötige Geld sorge, schreibt Adair Turner – und der Sparer und Investoren zusammenbringt. Es spreche nach ein paar Jahrzehnten Erfahrung nur einiges dafür, dass immer neue Finanzprodukte und Handelsvolumen ab einem bestimmten Niveau keinen zusätzlichen realwirtschaftlichen Nutzen mehr bringen. Danach kommt der Moment, wo die Sache kippt – und spürbar wird, wie instabil so ein Finanzsystem ist.
Wenn das stimmt, ist die große Frage, wie man jetzt (nur) das schrumpfen lässt, was schadet oder zumindest keinen gesellschaftlichen Mehrwert bringt – ohne das Geld zu kappen, das Unternehmen brauchen, um zu investieren und Jobs zu schaffen. Und wie man das möglichst so hinbekommt, dass nicht morgens bis abends jemand neben unseren Bankern stehen muss, um zu kontrollieren.
Was soll die Bank?
Eine Variante wäre, bei jedem Bankgeschäft zu prüfen, was gut und nicht gut ist. Das könnte sinnvolle Hinweise liefern. Die Frage ist nur, ob die Maßeinheit für Gut und Böse hinreichend belastbar und nicht-manipulierbar ist – um sagen zu können, was schrumpfen soll und was nicht. Abstrakt-theoretisch lässt sich relativ einfach definieren, was eine Bank soll.
1. Sie soll die Ersparnisse von Leuten sammeln, sie auf Konten legen lassen und verzinsen – um das gesammelte Geld an jene geben zu können, die ein Unternehmen gründen oder in Maschinen investieren wollen, das Geld dafür aber nicht parat haben. Prima. Dann kommt das Geld von Leuten, die es per Definition gerade nicht brauchen, und geht an welche, die es vorgestreckt bekommen müssen, um es erwirtschaften und an die Bank und den Sparer zurückzahlen zu können. Für diese Mittlerfunktion ist es auch legitim, wenn eine Bank den Unterschied einstreicht zwischen den Zinsen, die sie dem Sparer auf die Ersparnis gibt – und den höheren, die sie vom Investor und Kreditnehmer verlangt.
2. Sie soll Kredite schöpfen und an jene geben, die das Geld für Neues investieren wollen, ohne dass es dafür zwingend Einlagen geben muss, wie es der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter einst beschrieb. Wenn es für jede Investition vorher immer eine Ersparnis bräuchte und Unternehmen dann nur ihr Eigenkapital nutzten, wäre es ja nicht möglich, die Wirtschaftsleistung über das hinaus zu
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