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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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erhöhen, was schon erwirtschaftet wird und als Geld da ist. Kein Fortschritt.
    3.  Beim dritten Ziel wird es schon schwieriger. Nach gängigem Verständnis sind Banken auch dazu da, Risiken besser zu verteilen: indem sie jenen Kunden sichere Anlagen bieten, die wenig Risiko eingehen wollen – und anderen die Übernahme von riskanteren Anlagen ermöglichen, die dazu bereit und finanziell imstande sind. Was im Ökonomensinn dazu führt, dass diese Risiken optimal verteilt sind und mehr Geld für riskantere Investitionen zur Verfügung steht, als es sonst der Fall wäre.
    Ganz so toll laufe das nicht, sagt Berkeley-Ökonom Brad DeLong: »Es gibt zwei Wege, in der Finanzwirtschaft nachhaltig Geld zu machen: Leute mit Risiken zu finden, die von jemandem getragen werden müssen, und sie mit Leuten zusammenzubringen, die Risiken einzugehen bereit sind; oder Leute mit solchen Risiken zu finden und sie mit Leuten zusammenzubringen, die keine Ahnung, aber Geld haben.« DeLongs rhetorische Frage: »Sind wir sicher, dass der größte Teil des Wachstums im Finanzsektor durch einen steigenden Anteil jener getragen wird, die das erste Prinzip praktizieren und nicht das zweite?« Gut möglich, dass es da eine Menge Ahnungslose gibt.
    Die Frage ist vor allem, ob man für all das so viele hyperkomplexe mathematische Modelle und Produkte braucht. Und ob es für so eine vermeintlich wichtige Aufteilung von Risiken nicht auch ausreicht, weit weniger und eher klassische Produkte anzubieten. Muss man dafür täglich Billionen hin- und herschieben? Zumal sich erst im Crash eben oft herausstellt, dass die Risiken nur anders verteilt oder besser versteckt waren. Nicht weg.
    Das Problem ist, zu bestimmen, wo die Grenze zwischen sinnvollen und weniger sinnvollen Geschäften liegt. Es gibt zwar relativ einfach definierbare Extremfälle, wo der Schaden bei näherem Hinsehen derart offenbar wird, dass selbst Banker das einräumen und entsprechend reagieren (oder sich zumindest den Anschein geben). Auf öffentlichen Druck hat manche Bank schon darauf verzichtet, den eigenen Kunden Agrarfonds anzubieten. Prima. Das Beispiel zeigt allerdings auch, wie sehr so etwas von der subjektiven Wahrnehmung abhängt. Über Jahre hat sich kaum jemand aufgeregt, dass mit Lebensmitteln spekuliert wurde – obwohl das ja anfangs nicht besser war als heute. Die Erkenntnis folgte erst, als die Krise schon da war.
    So klar ist die Lage bei vielen Finanzprodukten ohnehin nicht, dass man das im Einzelfallverfahren streitfrei festmachen könnte. Spricht man mit Bankern und anderen Finanzgewandten, bekommt man schnell eine Menge fachchinesischer Argumente zu hören, warum dieses Derivat oder jenes die Risiken unbedingt verringert und die Welt ohne dieses gar nicht überleben kann. Hilfe! Ob das stimmt,lässt sich kaum messen (geschweige denn, sprachlich verstehen); erst recht nicht, ab wann diese Verteilung von Risiken einen spürbaren gesellschaftlichen Mehrwert hat – oder ob dahinter doch mehr Finanzspielerei steckt.
    Das Risiko einer Anlage hängt ja davon ab, ob auf Makroebene gerade Euphorie oder Panik unterwegs ist, ein Boom oder ein Crash – was vom Einzelnen vorab nicht ernsthaft abschätzbar ist. Experten sprechen da galant von systemischen Risiken. Aus individueller Sicht nahmen sich die Gefahren einer Anlage in, sagen wir, griechische Staatsanleihen bis 2009 eindeutig gering aus, und (fast) jeder Bankberater hat den Kauf auch empfohlen. Auch Bankaktien schienen bis Mitte 2007 eine sichere Sache zu sein. Wenn der Trend plötzlich kippt, sieht das alles ganz anders aus. Da wird aus dem todsicheren Investment schnell mal eine Junk-Anlage.
    Ähnliches gilt für alle Versuche, die Stabilität von Banken über ihre individuellen Bilanzen zu definieren, wie Regierungen und Notenbanken das in den ersten beiden internationalen Abkommen zur Regulierung der Finanzmärkte unter den Namen Basel I und Basel II seit Ende der 80er Jahre versucht haben – als zarte Reaktion auf die ersten Finanzkrisen. Das Problem: Diese Bankbilanzen sehen inmitten einer euphoriegetriebenen Finanzblase in aller Regel ganz prima aus, weil alle Kurse steigen. In Wirklichkeit steigt mit jeder weiteren Aufblähung insgeheim aber das Risiko, dass die Übertreibung auffliegt, die Blase platzt und dies die Banken kollektiv ins Verderben stößt, so wie 2007/08. Bei Ausbruch der Krise lagen die Risikoprämien auf Rekordtief.
    Dazu kommt, dass die Bankenbranche sich in der Vergangenheit stets

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