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Wie weiter?

Wie weiter?

Titel: Wie weiter? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregor Gysi
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angenommen, fehlende Bekanntheit ausschließlich medialer Ignoranz und ideologisch motivierten Vorurteilen zuzuschreiben ist. Langweilige Presseerklärungen aller Parteien wandern überall in den Redaktionen in den Papierkorb, und wer nichts zu sagen hat, kommt auch nicht auf den Sender. Journalistinnen und Journalisten schreiben nun mal nicht darüber, was die Parteien und deren Funktionäre für wichtig halten, sondern was für sie mitteilenswert ist.
    Nun bin ich nicht so naiv zu glauben, dass die vermeintliche Distanz der Journalisten – vulgo Objektivität – zu allen Parteien und Personen gleich sei. Erstens sind Vertreter dieser Zunft auch nur Menschen und darum nicht frei von Empfindungen, welche durchaus Sympathie oder Antipathie zu dieser oder jener Person und zu den von ihr vertretenen politischen Positionen beeinflussen. Und zweitens folgt das von Journalistinnen und Journalisten vertretene Medium, das zugleich auch ihr Arbeitgeber ist, dem Sendungsauftrag der Herausgeber und Besitzer. Diese haben durchaus eigene Interessen. Nur insofern sind sie tatsächlich überparteilich und unabhängig, als sie selbst Partei sind. Oder wie das Springer-Vorstandschef Döpfner im Kontext mit der sogenannten Wulff-Affäre einmal sehr anschaulich formulierte: Wer mit der Bild im Aufzug nach oben fährt, der fährt mit ihr auch im Aufzug nach unten. Damit wollte Döpfner nicht auf die sinkende Auflage des Blattes hingewiesen haben, sondern darauf, wer in diesem Lande – zugespitzt formuliert – Bundespräsidenten macht und auch wieder entmachtet.
    Bekanntlich reklamiert die Presse für sich die Rolle der Vierten Gewalt im Staate. Sie sieht sich neben der Exekutive, der Legislative und der Justiz als vierte tragende Säule unseres Gemeinwesens. Doch nach Äußerungen wie jener des Chefs des größten Medienkonzerns unseres Landes kommen mir Zweifel, ob alle Medienvertreter sich mit diesem Platz begnügen möchten. Die Versuchung scheint groß, Personen »hochzuschreiben«. Und je erfolgreicher man dabei ist, desto größer die Fallhöhe. Nicht nur Hochmut kommt vor dem Fall, sondern auch Lobhudelei in den Medien. Wir alle kennen die prominenten Namen der letzten Jahre, deren politische Karriere abrupt endete.
    Gleichviel: Presse und Politiker sind aufeinander angewiesen. Aus unterschiedlichen Gründen zwar, aber man braucht sich wechselseitig. Parteien benötigen Persönlichkeiten, und Medien auch.
    Nun beklagen nicht wenige, dass sich Letztere dabei sehr beschränken. Schaut man etwa Fernsehtalkshows, wird dieser Eindruck anscheinend bestätigt: Man sieht immer dieselben Gesichter und hört stets die gleichen Geschichten.
    Aber daran sind wir nicht ganz unschuldig.
    Das Mahlwerk der Parteien schleift nahezu jede und jeden rund und glatt. Schon bald spricht jede Jungpolitikerin und jeder Hoffnungsträger wunderbar Parteichinesisch und beherrscht auch das hohle Parlamentsgeschwurbel, weil er bzw. sie meint, das müsse so sein. Nur so werde man von seines- und ihresgleichen akzeptiert. Und gleichzeitig schwärmt man von den »Urgesteinen der Partei«, ohne selbst jemals die Chance gehabt zu haben, selber »Urgestein« werden zu können. Auch und gerade die kantenlose Kader kommen ins Kabinett. Die Zukunft liegt bereits hinter ihnen, ehe sie überhaupt anbrach. Da dies inzwischen in allen Parteien so ist, merken die Wählerinnen und Wähler und die Medienvertreter zu Recht kritisch an: Die sind doch alle auswechselbar!
    Und darum präferiert man »Nasen«, also Persönlichkeiten.
    Da ich von einigen offenbar für eine solche gehalten werde, habe ich auch eine vage Vorstellung, was darunter zu verstehen ist. Aber wissen die meisten auch, wofür ich stehe? Was ich politisch möchte?
    Ich habe so meine Zweifel, seitdem mein Name in sogenannten meinungsbildenden Medien mit dem Beiwort »Linken-Guru« verziert wird. Für Menschen, die sich mit derlei Vokabular nicht auskennen, zitiere ich gern aus Wikipedia : »Im zeitgenössischen westlichen Sprachgebrauch wird die Bezeichnung ›Guru‹ – oftmals mit pejorativ abwertender oder spöttischer Bedeutung – für Menschen benutzt, die durch religiöse oder philosophische Aussagen Anhänger um sich scharen, im weiteren Sinne auch für Fachleute mit überdurchschnittlichem Wissen, langer Erfahrung und gegebenenfalls charismatischer Ausstrahlung.«
    Da kann sich nun jeder aussuchen, was die Autoren jener Beiträge auf mich gemünzt sagen wollen. Doch wofür ich politisch stehe,

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