Wie weiter?
Keuner-Bemerkung deutlich: »Herr K. hielt es nicht für nötig, in einem bestimmten Land zu leben. Er sagte: ›Ich kann überall hungern.‹«
Und viertens: Der Kapitalismus kriegt auch keine ökologische Nachhaltigkeit hin. Die ökonomischen Interessen sind stärker als die ökologischen Interessen. Auf diese Weise handelt er allerdings fortgesetzt auch gegen seine eigenen ökonomischen Interessen, da er auf Kosten der Zukunft nach dem Prinzip produziert: nach mir die Sintflut. Und ein weiterer Widerspruch: Eine ökologisch aufgeklärte Gesellschaft wie die unsrige ist zwar in der Lage, die Forderung nach ökologischen Produkten durchzusetzen und dass diese auf dem Markt angeboten werden. Aber sie ist nicht in der Lage, dafür zu sorgen, dass diese Waren auch ökologisch produziert werden. Denn es geht immer darum, so billig wie möglich zu produzieren, um die Gewinnspanne zu vergrößern. Hinzu kommt noch, dass ab und an durchsickert, dass Bio doch nicht Bio ist und die angeblich freilaufenden Hühner ihre Eier doch im Käfig gelegt haben.
Das sind mindestes vier Gründe, weshalb ich den Kapitalismus überwinden will.
Dagegen stehen drei Schwächen der Linken.
Erstens: Wir haben kein wirklich funktionierendes praktisches Beispiel, wo und wie demokratischer Sozialismus aussieht. Es gibt weltweit kein Land, auf das man verweisen und sagen könnte: Schaut es euch an – das wollen wir auch in Deutschland so machen. Nach meinem Eindruck gab es nach der Pariser Kommune 1871 einen einzigen Versuch – das war hundert Jahre später in Chile unter Allende. Und der ist 1973 von den USA im Bunde mit der chilenischen Armee zerstört worden.
Die zweite Schwäche: Weil es den Staatssozialismus gab, wie es ihn gab, herrscht uns gegenüber ein Misstrauen. Sind die denn wirklich demokratisch und für Freiheit und Menschenrechte? Was passiert, wenn die Linken denn an die Macht kämen? Also müssen wir in Fragen der Freiheit, der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit besonders sensibel sein, um Vertrauen zu gewinnen. Wir müssen überzeugender als andere beweisen, dass wir in diesen Fragen verlässlich sind. Verlässlicher als andere und nicht so demagogisch wie diejenigen, die stets die SED-Stasi-Mauer-Keule herausholen, wenn man Linke treffen will. Nach fast einem Vierteljahrhundert ist das aber ziemlich billig.
Und drittens schließlich – das korrespondiert mit unserer Vergangenheit, aber auch mit dem Stigma der SPD – haben wir das Vorurteil gegen uns, dass Sozialistinnen und Sozialisten von Wirtschaft keine Ahnung hätten. Sie verstünden nur Geld auszugeben, aber keins zu verdienen. Diese Behauptung, von den Konservativen in die Welt gesetzt, funktioniert unverändert. Obwohl doch nachgewiesenermaßen alle kapitalistischen Wirtschafts- und Finanzkrisen unter erzkonservativer Ägide stattfanden und stattfinden.
Hinzu kommt noch, dass die Menschen keine Vorstellungen haben, wie Sozialisten die Wirtschaft organisieren werden. Wollen wir alles verstaatlichen? Die Wirtschaft einer zentralen Planung und Steuerung unterwerfen?
Ich treffe immer wieder auf Menschen, die meinen: ›Zwar glaube ich Ihnen, dass es bei den Sozialisten sozial gerechter zuginge, aber das ist doch bestimmt eine soziale Gerechtigkeit in Armut, weil ihr die Wirtschaft kaputtmacht. Das lehne ich ab.‹
Deshalb wählen ja so viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Union, weil sie annehmen, die verstehe mehr von der Wirtschaft. Wenn es der Wirtschaft gut gehe, dann machten auch die Streiks mehr Sinn, heißt es, dann bekäme man auch ein größeres Stück vom Kuchen ab. Das ist eine simple, aber durchaus nachvollziehbare Logik.
Deshalb kämpfe ich seit längerer Zeit in der Partei – zugegeben: noch nicht besonders erfolgreich bislang –, dass wir endlich Vorstellungen einer Wirtschaftspolitik formulieren, welche genau diesem Misstrauen entgegenwirken. Dazu gehört die Daseinsvorsorge, die bei uns in öffentlicher Hand sein wird. Bildung, Gesundheit, Rente, Versorgung bei Energie und Wasser etc. müssen den Regeln der Marktwirtschaft entzogen werden, sie dürfen nicht mehr Gegenstand von Spekulationen sein, eine marktbeherrschende Dominanz muss ausgeschlossen werden. Auf der anderen Seite macht der Markt durchaus Sinn etwa beim Handwerk, im Dienstleistungsbereich, im Handel, bei kleineren und mittleren Industrieunternehmen, in der Landwirtschaft usw. Deshalb werden wir dort Privat- oder genossenschaftliches Eigentum an Produktionsmitteln auch
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