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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Maischenberger
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in einem Gespräch, er hätte es. Im Prinzip hätte Michail Gorbatschow nur seine Politik gemacht, das, was er als Mitglied der Olof-Palme-Kommission begonnen hatte.
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    Dass Egon Bahr dieser Ansicht ist, nehme ich ihm ab. Aber wer hat denn sonst wirklich gewusst, dass Gorbatschow seine Truppen in der Kaserne lässt? Die Zahl derer, die das alles gewusst haben wollen, hat hinterher rapide zugenommen.
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    Um noch einmal Habermas heranzuziehen: Er sagte, in bestimmten politischen Momenten der Bundesrepublik hätte es Menschen an der Spitze gegeben, die noch etwas wollten. Adenauer wollte die Westbindung, Brandt die Ostpolitik, Schmidt wirkte als Wegbereiter der europäischen Integration, Kohl gab die Deutsche Einheit und die europäische Einigung vor, jedenfalls den Einigungsweg. Selbst bei Schröder hätte man noch feststellen können, dass er etwas wollte …
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    Darüber, ob Kohl allein den Einigungsweg vorgab, müsste man streiten. Immerhin habe ich mich im November 1989 im Bundestag noch vor ihm für die Schaffung einer Konföderation als Schritt auf dem Weg zu einer endgültigen Lösung ausgesprochen. Dass Schröder etwas wollte, ist hingegen völlig zutreffend. Er wollte zum Beispiel den Ausstieg und das Nein zum Irakkrieg.
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    Er hatte aber auch einen Koalitionspartner, der dabei nicht unbeteiligt war. Aber laut Habermas hätte selbst Schröder auch in der zweiten Legislaturperiode mit der Veränderung der Sozialsysteme etwas gewollt. Doch nun vermisse er beim gegenwärtigen politischen Personal ein Ziel, dem es erkennbar zustrebt, selbst in Krisen und Katastrophensituationen.
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    Die Ziele von Angela Merkel und den führenden Personen der Union haben jedenfalls mehrfach gewechselt. Guido Westerwelle und die FDP wollten lange Zeit eigentlich nur eines – nämlich Steuersenkungen. Wir Sozialdemokraten haben aber Zielvorstellungen, die wir verwirklichen wollen. Sie sind in dem Papier enthalten, das Frank-Walter Steinmeier zur Bundestagswahl 2009 vorgelegt hat. Es ist nur zu wenig bekannt. Warum das so ist, ist eine Frage an uns als Partei, aber auch an diejenigen, die solche Informationen eigentlich weitergeben sollten.

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    Sie lassen die Kritik somit nur beim politischen Gegner gelten?
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    Nein. Ich kritisiere, wenn das geboten ist, in angemessener Form auch meine eigene Partei. Und habe das ja soeben und auch in anderen Teilen unseres Gesprächs getan. Außerdem hat Sigmar Gabriel die Diskussion über einen neuen Fortschrittsbegriff eröffnet. Darin könnte man sogar eine gewisse Selbstkritik der Sozialdemokratie sehen.
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    Können Sie mir sagen, für welches große Projekt die Sozialdemokratie heute steht?
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    Heute spricht man ja von einem Markenkern – ein schreckliches Wort. Aber unser Markenkern ist neben der Freiheit nach wie vor die soziale Gerechtigkeit und die Verringerung der Kluft zwischen Arm und Reich.
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    Nachdem die SPD – Entschuldigung, wenn ich das einschiebe – erst einmal dafür gesorgt hat, dass die soziale Gerechtigkeit für eine ganze Weile mit gesetzgeberischen Maßnahmen außer Kraft gesetzt worden ist und die Kluft vertieft wurde.
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    Ich habe ja schon zugegeben, dass man über Einzelheiten der Agenda 2010 und gewisse Deregulierungen durchaus kritisch urteilen kann.
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    Wir können es ja mal andersrum machen: Was war gut daran?
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    Insgesamt hat die Agenda 2010 die Kluft auch verringert, indem sie die Zahl derer, die wieder arbeiten konnten, erhöht hat. Die Agenda 2010 hat dazu durchaus beigetragen.
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    Ja, zu einem geringeren Lohn, wie Gewerkschaften immer wieder betonen.
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    Das stimmt. Aber ist Arbeit zu einem geringeren Lohn schlechter, als wenn man von ALG 2 lebt?
    Â 
    Fragen Sie die Kassiererin an der Kasse eines Supermarkts, die ihren Job verloren hat und dann wieder von einer Leiharbeiterfirma eingestellt wurde, mit einem wesentlich geringeren Gehalt.

    Â 
    Wer kämpft denn gegen Leiharbeit? Wer kämpft denn für Mindestlöhne? Wer hat denn schrittweise ...
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    Der Rest von der Opposition, mit Verlaub.
    Â 
    Aber haben die Sozialdemokraten bei diesen schwierigen Verhandlungen über das Paket, das das Bundesverfassungsgericht veranlasst hat, nicht in der Leiharbeit und in der Mindestlohnfrage einiges durchgesetzt?
    Â 
    Jetzt ja.
    Â 
    Die Behauptung, dass es besser ist, wenn die Leute arbeitslos sind, als dass sie

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