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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Maischenberger
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denn gern darüber einmal mit Ihrem bayerischen Papst ins Gespräch treten? Wäre das eine verlockende Aussicht?
    Â 
    Mit Kardinal Joseph Ratzinger führte ich im Jahr 1979, also noch vor seinem Pontifikat, im bayerischen Fernsehen eine sehr lebhafte Debatte über den Schwangerschaftsabbruch. Erst neulich habe ich mir die Aufzeichnung dieser Sendung wieder angesehen. Und solche Diskussionen, bei denen man sich zuhört und auf die Argumente des anderen im Detail eingeht, könnte man durchaus auch auf anderen Gebieten führen.
    Sehr beeindruckt war ich von dem Disput zwischen Habermas und Ratzinger in der Katholischen Akademie in München. Die beiden hatten sich 2004 getroffen, um über Religion und Aufklärung zu reden. Habermas und Ratzinger kamen dabei in einem wichtigen Punkt zu einem Einverständnis. Der Satz, dem beide zustimmten und dabei mit dem Kopf nickten, lautete: »Die Religion bedarf der Vernunft, um sich immer wieder von menschlichem Beiwerk zu reinigen. Und die Vernunft bedarf der Religion, um ihre Grenzen zu erkennen.« Das hat sich mir sehr eingeprägt.
    Sicher wäre es reizvoll, jetzt mit Papst Benedikt XVI. zu diskutieren. Er ist ein kluger Mann. Ich würde ihm dann allerdings auch kritische Fragen stellen.
    Â 
    Zum Beispiel?
    Â 
    Zum Beispiel sagte er, die Gespräche mit den traditionalistischen Piusbrüdern, die bisher wesentliche Punkte des Zweiten Vatikanischen Konzils abgelehnt haben, und die Aufhebung der Exkommunikation ihrer Bischöfe, das sei ein Zeichen des besseren Verständnisses
und der Versöhnung. Da würde ich fragen, ob ein solches Zeichen nicht auch oder sogar eher gegenüber den wiederverheirateten Geschiedenen am Platze wäre? Auch zum Stand der Ökumene hätte ich Fragen. Da scheint es manchmal, als ob er die Griechisch-Orthodoxen stärker im Blick hätte als die Evangelischen. Aber bei seiner bevorstehenden Reise nach Erfurt, wo er dem Augustinerkloster, das eng mit Luther verbunden ist, die Ehre erweisen will, kann sich dieser Eindruck ja ändern.
    Â 
    Haben Sie schon einmal nach einem Termin gefragt?
    Â 
    Da würde ich mich übernehmen.
    Â 
    Sie beide mögen Südtirol, Sie könnten sich ja auf einem Berg begegnen …
    Â 
    Gelegentlich besuchte er dort dasselbe Gasthaus in Dreikirchen bei Villanders wie ich, wohl des Ausblicks wegen. Aber als Papst kam er nicht mehr dorthin.
    Â 
    Wie schwer war Ihr Konflikt als Katholik, als Sie sich scheiden ließen und anschließend wieder heirateten?
    Â 
    Das war ein Konflikt, den ich ernst genommen habe, denn eine solche Entscheidung bedeutet den Ausschluss vom Abendmahl, von der Kommunion. In dieser Zeit vertiefte ich mich ein bisschen in die Materie. Dabei bin ich auf ein interessantes Papier der Bischöfe der Oberrheinischen Kirchenprovinz gestoßen. Verfasst wurde es von dem noch heute als Bischof von Mainz amtierenden Karl Kardinal Lehmann, dem Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Walter Kasper, der später als Kardinal in Rom tätig war, sowie dem Erzbischof von Freiburg, Eugen Seiterich. In diesem Papier legten sie dar, dass nach ihrer Meinung auch in diesen Fällen eine Gewissensentscheidung zu respektieren sei. Sie haben das Papier nach Rom geschickt. Aber die Reaktion war negativ. Mir gab es aber eine Orientierung.
    Â 
    Eine Scheidung und eine Wiederheirat sind doch relativ schwere Verstöße – hat man dadurch nicht die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche verwirkt?

    Â 
    Man wird, wie gesagt, exkommuniziert, aber man ist nach wie vor Mitglied der Kirche.
    Â 
    Aber ist das nicht eine Anmaßung – gerade bei Menschen wie Ihnen, die nicht vom Glauben, sondern nur von einer der möglichen Richtlinien abgefallen sind?
    Â 
    Es ist ja keine Maßnahme, die auf mich alleine bezogen ist, es ist eine generelle. Zudem: Rom hat nicht völlig geschwiegen. Es heißt nämlich in dem einschlägigen Text, die Kirche müsse sich diesen Menschen in liebender Fürsorge zuwenden.
    Â 
    Das sieht man an Benedikt XVI. jeden Tag.
    Â 
    Ich weiß nicht, ob er wiederverheirateten Geschiedenen in konkreten Situationen begegnet ist.
    Â 
    Es fehlt ein Signal der Kirche.
    Â 
    Ich komme zurück auf das, was ich zuvor sagte: Wenn schon Versöhnungszeichen gegeben werden, dann wäre es vielleicht am Ende gerade hier am Platze. Immerhin weist mir – und sicher auch anderen – der Gedanke einer

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