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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Maischenberger
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miteinander. Und eine gewisse Übereinstimmung über die Kriterien für ein gelungenes Leben. Die Gefühlsgemeinschaft hat schließlich etwas mit dem Heimatgefühl und dem Gefühl der Zusammengehörigkeit zu tun.
    Â 
    Geschichte, Goethe, Grundgesetz.
    Â 
    Das sind wesentliche Punkte, ja.
    Â 
    Und diese sollte man immer wieder im Sinne einer Leitkultur neu fassen ?
    Â 
    Da bitte ich um eine Definition des Begriffs »Leitkultur«. Ich habe die Debatte darüber verfolgt, aber bislang konnte mir keiner eine schlüssige Definition liefern. Darf ich sie von Ihnen erbitten?
    Â 
    Da das Wort nicht meine Erfindung ist, kann ich nur das wiedergeben, was ich darunter verstanden habe. Demnach beinhaltet eine Leitkultur bestimmte Grundsätze, auf die man sich anhand der Dinge, die Sie eben genannt haben, gemeinsam geeinigt hat. Ein kultureller, ein christlicher Bezug ist darin enthalten, auch ein Geschichts-, ein Nationenbewusstsein. Der christliche Verweis wird dabei besonders betont. Wenn das Leitkultur ist und Sie dieser anhängen, können Sie eigentlich keine starke muslimische Gemeinschaft tolerieren.

    Â 
    Aber wir haben doch Minderheiten auch in unserer früheren Geschichte gehabt und sogar zu uns geholt. In bestimmter Weise waren wir immer ein Einwanderungs- und – ich füge hinzu – auch ein Auswanderungsland.
    Â 
    Verzeihen Sie die Polemik: Aber wer sagt uns, dass die Deutschen schon gelernt haben, Minderheiten anderen Glaubens zu ertragen?
    Â 
    Dann nehmen Sie sich mal drei Tage Zeit und gehen Sie mit mir und Christian Ude, dem Oberbürgermeister von München, durch die Stadt und bilden sich dort eine Meinung anhand von Tatsachen. Sehen Sie sich an, wie hier die Minderheit der Türken, die Minderheit der Muslime, friedlich mit anderen zusammenlebt.
    Â 
    Dann müssen Sie wiederum mit mir an manche Berliner Schulen gehen, dort können Sie sich eine andere Meinung bilden. Wichtiger ist die Frage, wie die Politik reagieren soll, wenn es mit dem Zusammenleben und der Integration nicht klappt.
    Â 
    Die Politik muss dem Thema auf jeden Fall weiter große Aufmerksamkeit widmen und gegebenenfalls auch tätig werden, so wie sie es in der Vergangenheit aufgrund der Vorschläge der Unabhängigen Zuwanderungskommission getan hat. Aber die Fähigkeit, schwierige Dinge zu bewältigen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, wird durch Übertreibungen der Gefahren nicht erhöht.
    Â 
    Ich nehme das jetzt so hin und verstehe Sie dahingehend, dass Sie es als eine Gefahr wahrnehmen, bei diesem Thema in Aktionismus zu verfallen.
    Â 
    Aktionismus ist immer falsch.
    Â 
    War es denn in Ordnung, als der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan bei seinem Deutschlandbesuch 2008 in der Kölnarena die Migranten vor Anpassung warnte: »Niemand kann erwarten, dass ihr euch assimiliert«, rief er. Assimilierung sei »ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit«.
    Â 
    Das war keine sehr glückliche Äußerung. Doch müsste man auch wissen, was er wirklich gesagt hat, denn er sprach Türkisch. Und den Türkischkenntnissen derjenigen, die von deutscher Seite aus
zugehört hatten, ist nicht unbedingt zu trauen. Seine Worte konnten ebenso bedeuten, dass sich die Zugewanderten an ihre alte Heimat erinnern sollten. Wäre das so, dann könnte dies auch ein deutscher Ministerpräsident deutschen Auswanderern in Amerika sagen: »Erinnert euch an eure alte Heimat.« Wenn es aber stimmt, dass Erdoğan gemeint hat, die hier lebenden Türken sollten sich nicht integrieren, dann wäre das nicht akzeptabel.
    Â 
    Er soll geäußert haben: »Ich sage Ja zur Integration.« Allerdings lehnte er eine völlig Anpassung, eine »Assimilation« ab. »Niemand wird in der Lage sein, uns von unserer Kultur loszureißen«, so Erdoğan weiter. »Unsere Kinder müssen Deutsch lernen, aber sie müssen erst Türkisch lernen.«
    Â 
    Assimilation ist noch einmal etwas anderes als Integration. Um sich zu integrieren, müssen die Zuwanderer ja nicht ihre Religion ablegen oder ihre Herkunftssprache einfach an der Grenze abgeben und nur noch Deutsch sprechen.
    Â 
    Aber grundsätzlich finden Sie den Handlungsbedarf bei der Integration nicht so groß, wie er gemeinhin dargestellt wird?
    Â 
    Die Situation ist nicht so alarmierend, wie sie gelegentlich dargestellt wird. Und es besteht auch nicht die

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