Wiedersehen an der Cote dAzur
Jahren war ihr Vater gestorben, und ihr Bruder Piers hatte die Leitung der kleinen, aber feinen Automobilfirma im Besitz der Familie übernommen. Seine hochfliegenden Pläne allerdings hatten das mühsam erarbeitete Vermögen des Vaters schnell dahinschmelzen lassen. Ihre Mutter, die nie etwas mit finanziellen Angelegenheiten zu tun gehabt hatte, war vollkommen überfordert. Schon nach kurzer Zeit war der Betrieb nicht mehr schuldenfrei. Zum Glück hatte der Vater noch vor seinem Tod Vorsorge getroffen, sodass seine einzige Tochter ihre Ausbildung in der Schweiz beenden konnte.
„Wir sind da!“ Francesca riss sie aus ihren trüben Gedanken. Der Wagen bog auf ein Plateau, wo schon zwei noble Autos darauf warteten, vom Chauffeur in die Garage gefahren zu werden.
Die Freundinnen stiegen aus und gingen über einen mit Kies bestreuten Weg auf das Anwesen zu – eine aufwendig renovierte Villa mit imposanten Fresken. Von dort kam ihnen ein Mann entgegen, dessen Haare und Augen denen Francescas ähnelten.
Als diese ihn erkannte, beschleunigte sie ihre Schritte. „Pasquale!“, rief sie laut, blickte aber verschwörerisch noch einmal zu Suzanna. „Denk daran, wenn er dich fragt, wie oft ich ausgehe und mit wem, dann weißt du von nichts! Sag einfach, wir hätten für die Schule zu tun!“
Suzanna lächelte gezwungen. Ob ihre Ferien so würden, wie sie es hoffte? Glücklich schien die Familie kaum. Doch weitere Zeit, sich Gedanken zu machen, hatte sie nicht, denn etwas anderes beanspruchte ihre Aufmerksamkeit viel mehr – dieser Pasquale sah ja aus wie der Herzensbrecher von Rom persönlich!
Im ersten Moment meinte sie zu träumen. Verwirrt schloss sie die Augen und öffnete sie wieder. Tatsächlich! Er war noch da, es gab ihn wirklich! Sah er nicht unwiderstehlich aus?
Suzanna merkte, dass sie verlegen errötete und ihn anschmachtete wie die romantischen Teenager in den Liebesromanen auf ihrem Nachttisch.
Ob es an seinen Augen lag? Diesen verwirrenden Augen, die sie in einer Weise ansahen, bei der sie sich in ihn …
Warum nur musste es ausgerechnet hier und jetzt passieren! Pasquale war doch Francescas Bruder. Und dazu noch sieben Jahre älter als sie.
„Francesca!“, rief dieser jetzt, umarmte seine Schwester und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Dann richtete er seinen Blick auf Suzanna. Francesca reagierte ausnahmsweise, wie es sich gehörte.
„Pasquale, das ist Suzanna Franklin. Suzanna, das ist mein Bruder Pasquale“, stellte sie die beiden vor.
Suzanna erwiderte schüchtern das Lächeln des jungen Mannes und schüttelte seine Hand, als er sie ihr reichte. In derselben Sekunde begann ihr Herz, so schnell wie nie zu pochen.
Äußerlich wirkte Pasquale Caliandro unaufgeregt. Trotzdem schien er nicht den Blick abwenden zu können von der Freundin seiner Schwester, deren Haare im Licht der Sonne glänzten. Deren weißes Sommerkleid dezent erahnen ließ, welch aufregend zarte weibliche Rundungen sich darunter verbargen. Und deren Hand er nicht mehr loslassen wollte … Doch dann war dieser Moment vorbei, und er war wieder nur der große Bruder und höfliche Gastgeber.
„Wir können bald essen“, erklärte er auf dem Weg ins Haus. „Ich lasse eure Sachen nach oben bringen, eine Stunde zum Auspacken der Koffer wird ja reichen.“
Kurz vor zehn an diesem ersten Abend legte Suzanna die Haarbürste aus der Hand und huschte in ihrem Nachthemd zu Francesca nach nebenan, die bereits lesend im Bett lag.
„Ich glaube, mein Bruder ist scharf auf dich.“ Francesca grinste. „Seine Schmachtaugen waren nicht zu übersehen!“
Suzanna gab sich gelassen. Aber ihr Puls schlug in einem anderen Tempo. „Unsinn! Das musst du dir eingebildet haben.“
„Ach, komm. Was ist denn dabei?“
„Hör auf, du musst dich irren!“
Sie setzte sich auf die Bettkante. Obwohl sie es sich nicht anmerken ließ, schlug ihr Herz wild bei dem Gedanken, Pasquale nun ständig zu begegnen.
Und genau das geschah. Allerdings nicht ganz so wie erwartet. Zwar war er immer höflich, aber ihre Nähe schien er nicht gerade zu suchen. Schwamm sie im Pool, zog er sich zurück, sobald er es bemerkte. Sie wiederum vermied es, ihm nachzuschauen. Mit Ausnahme einiger Höflichkeitsfloskeln wechselten sie kaum ein Wort miteinander. Bis er sich eines Vormittags, als sie zum Malen in dem herrlich angelegten Garten war, hinter sie stellte und mit geneigtem Kopf aufmerksam das entstehende Bild betrachtete.
„Eine wirklich gelungene
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