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Wiedersehen in Barsaloi

Wiedersehen in Barsaloi

Titel: Wiedersehen in Barsaloi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinne Hofmann
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trägt die Haare hinten zusammengebunden, genauso wie ich sie damals hatte. Mit dem schwangeren Bauch, dem hellen Blümchenkleid und dem schlichten Massai-Schmuck sieht sie der damaligen Corinne sehr ähnlich, was ich ihr bei der Begrüßung aus tiefster Überzeugung mitteile. Nachdem von uns beiden einige Fotos gemacht wurden, muss sie nach wenigen Minuten wieder an die Arbeit. Kurz vorher erhalte ich noch die Gelegenheit, mich im nachgestellten Shop umzusehen. Alles ist täuschend echt eingerichtet, sogar die alte Waage mit den Gewichtssteinen ist da. Als ich diese nach all den Jahren wiedersehe, erinnere ich mich an die Knochenarbeit, täglich Hunderte von Kilogramm Maismehl, Zucker oder Reis abzuschöpfen. Abends konnte ich mich vor Rückenschmerzen oft kaum mehr bewegen. Der Lohn aber waren die zufriedenen Gesichter der Menschen, weil sie Lebensmittel einkaufen konnten. Meine Erinnerungen werden durch die wieder aufgenommenen Dreharbeiten unterbrochen.
    Draußen begebe ich mich mit Klaus auf die Suche nach Foto-Motiven. Eines finde ich besonders reizvoll. Da sitzen zwei sehr alte, traditionell gekleidete Männer. Einer von ihnen trägt einen äußerst originellen »Schmuck«: eine Brille mit Gläsern, die halb so groß wie sein Gesicht sind, und auf dem Kopf trägt er einen lustigen Schlapphut mit Tigermotiv. Ich geselle mich zu ihnen und wir machen ein gemeinsames Foto. Das Gesicht mit Brille lacht mich stolz und fröhlich an. Alte Menschen finde ich immer wieder faszinierend, denn in ihren Gesichtern steht ihr Leben geschrieben.
    Wir setzen uns abseits in den Schatten und beobachten noch einige Stunden den Drehort, doch es wiederholt sich immer das Gleiche: sprechen, schweigen, warten, sprechen, schweigen, warten. Nach dem ersten Staunen tritt eine gewisse Eintönigkeit ein, weil man nicht direkt am Geschehen beteiligt ist und davon auch nicht viel mitbekommt. So bin ich froh, dass ich am Nachmittag, als in der Mission gedreht wird, doch noch eingeladen werde, einige Minuten beim Dreh zuzuschauen. Die Regisseurin fordert mich auf, neben der Kamera auf einem Stuhl Platz zu nehmen. Ich habe keine Ahnung, was gedreht werden soll, und warte voller Neugier. Plötzlich springt Lemalian die Stufen zur Mission hoch und der Pater eilt auf ihn zu. Offensichtlich erzählt Lemalian gerade, dass es Carola und dem Baby im Spital gut geht.
    Beim Anblick dieser Szene überkommt mich mit aller Macht das heulende Elend. Ich habe das überhaupt nicht erwartet, da ich mich gelassen und ausgeglichen fühlte. Aber in dem Moment, als Lemalian spricht, sehe ich nicht ihn, sondern Lketinga und meine persönliche damalige Situation. Ich bin so durcheinander und aufgewühlt, dass ich den Drehort weinend verlassen muss. Dabei schäme ich mich natürlich vor der ganzen Mannschaft. Eine winzig kleine Episode genügt schon, dass ich die Kontrolle über meine Gefühle verliere. Oh Gott, was kommt da noch auf mich zu, wenn ich erst Carola erleben werde? Eines ist mir jetzt schon klar: Tränen werden fließen.
    Zum Glück ist gerade Kaffeepause, so dass draußen kaum jemand meine Betroffenheit mitbekommt. Ich setze meine Sonnenbrille auf und nehme mir einen heißen Tee. Da meine Hände noch zittern, übergieße ich mir zu allem Überfluss die Hand. Der Schmerz lenkt mich zumindest etwas ab.
    Nach diesem Erlebnis habe ich plötzlich genug vom Dreh und fühle mich irgendwie fehl am Platz. Ich habe nun alles gesehen, die meisten Schauspieler und Schauspielerinnen kennen gelernt und den Ort als wirklich gelungen empfunden. Da ich zum weiteren Gelingen des Films nichts beitragen kann, ist schnell klar, dass ein längerer Aufenthalt hier am Set keinen Sinn hat. Offensichtlich haben die bewegenden Ereignisse der letzten Tage meinen Gefühlshaushalt etwas durcheinander gebracht. Da kommt die geplante Reise zu Pater Giuliani gerade recht. Seine Gegenwart vermittelte mir schon damals immer eine gewisse Sicherheit. Bei ihm kann ich mich bestimmt emotional etwas erholen, bevor ich in Barsaloi mit dem schmerzlichen Abschied von meiner Familie konfrontiert werde.
    Den Rest des Nachmittags unterhalten wir uns in entspannter Atmosphäre mit dem Produzenten und seiner Frau. Beim reichhaltigen Abendessen bedanke ich mich bei allen für ihre Mühen und vor allem für die Möglichkeit, hinter die Kulissen »meines« Filmes schauen zu können und drücke mein Vertrauen und meine Überzeugung aus, dass dieser Film viele Menschen berühren wird.

Pater

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