Wiedersehen in Barsaloi
Busch, von dem er kleine Weihrauchkugeln abzupft. Dann deutet er auf einen weißen Strich in der Ferne, der senkrecht wie ein Wasserfall über den Berg fällt. »Dort steht meine Mission. Vor ein paar Monaten ist nachts mit mächtigem Donner hinter meinem Haus ein Teil dieses Berges abgebrochen. Seitdem sieht man Sererit schon von weitem. Bei deinem nächsten Besuch musst du nur in diese Richtung fahren«, scherzt er lachend.
Auf holprigen Wegen nähern wir uns langsam diesen Bergen. Auf dem Kamm ist deutlich dichter Dschungel erkennbar. Giuliani erzählt, dass dort noch riesige Büffel- und Elefantenherden leben und für Menschen kaum ein Durchkommen möglich sei. Die Samburu führten ihre Herden bis an den Rand des Dickichts, weil dort das Gras besonders fett sei.
Völlig unerwartet taucht am Wegesrand ein längliches Gebäude auf. Das sei die neue Schule, erklärt Giuliani stolz. Leider sei es schwierig, sie ausreichend mit Lehrern zu besetzen, da die meisten nach ein paar Monaten einfach nicht mehr zur Arbeit kämen. Bis aber jemand, der hier aufgewachsen ist, als Lehrkraft eingesetzt werden könne, werde es noch eine Weile dauern. Wir rumpeln über die Piste und umfahren größere Steine und Buschwerk. Nebenbei erwähnt Giuliani, dass er diesen Fahrweg selbst ausgebaut habe, früher sei hier nichts außer Geröll und Busch gewesen. Es ist mir ein Rätsel, wie Giuliani es schafft, hier zu leben.
Die Mission in Sererit
Langsam schleichen die Wagen einen kurvenreichen Pfad bergauf, bis wir nach einer letzten Kurve vor seiner Mission stehen. Nach Mission sieht es hier allerdings nicht aus. Ich habe eher den Eindruck, dass wir uns zwischen einer Ansammlung von überdimensionierten Konservendosen befinden. Alles außer der »Kirche«, die die kleine aus ein paar Hütten bestehende Ansiedlung dominiert, ist hier aus Wellblech erstellt. Sogar sein Motorrad, das er früher schon besaß, steht unter einer Wellblechhaube. Unsere Wagen sind fast so hoch wie diese Hüttchen. Jetzt verstehe ich, warum wir nur mit einem Fahrzeug hierher kommen sollten. Es gibt einfach keinen Platz dafür. Doch Giuliani wäre nicht Giuliani, wenn er dieses Problem nicht schnell lösen könnte. Einer der Wagen muss über seiner »Werkstattgrube« parken. Sie besteht aus einem ausgehobenen Graben, neben dem er auf beiden Seiten kleine Rampen aus Beton errichtet hat. Der zweite Wagen parkt schräg am Hang. Unsere Dachzelte sind also nicht benutzbar.
Wir schauen uns die Mission an, und nicht nur wir drei europäischen Besucher, sondern auch unsere afrikanischen Fahrer fragen sich staunend, wie man hier leben kann. Der Pater, darauf angesprochen, erwidert lachend: »Ich gehe dahin, wo Samburu leben und wo es Wasser gibt. Das sind meine Auswahlkriterien, mehr brauche ich nicht. Von allen Plätzen, die ich in all den Jahren hier in Kenia kennen gelernt habe, ist das der schönste Flecken mit dem besten Wasser.« Ein stolzes Strahlen unterstreicht seine Worte.
Nun beginnt das Entladen seines Wagens. Als zwei riesige Fässer gefüllt mit Diesel unter der Wagenplane auftauchen, frage ich mich, wie er die wohl von der Ladefläche bringen wird. Doch auch das ist für ihn kein Problem, da er speziell dafür eine Hebevorrichtung gebastelt hat und ihm einige Samburu helfen. Anschließend werden noch zahlreiche Schachteln Fett für die Bevölkerung aus der Umgebung in einer Art Schuppen verstaut. Ich schaue dem Spektakel zu und stelle fest: »Das ist wohl Ihre Vorratskammer?« Giuliani lacht und erwidert: »Nein, Corinne, das ist mein Haus. Hier wohne ich und auf diesem Tisch schlafe ich. Abends werfe ich eine Matratze darauf und so liege ich bequem.« Offensichtlich sieht er mir mein Staunen an und beteuert heiter: »Mehr brauche ich nicht.« Während er erzählt, gesellt sich ein zweiter italienischer Pater zu uns. Der 77-Jährige lebt hier mit Giuliani und macht einen ausgesprochen rüstigen Eindruck.
Später besichtigen wir den Mittelpunkt der Mission – die originellste »Kirche«, die ich je gesehen habe. Sie gleicht einer überdimensionalen Manyatta. Das Dach und die Seitenwände des runden Gebäudes sind mit blauen, gelben und grünen Plastikbahnen abgedeckt, zwischen denen einige Strohgeflechte hervorschauen. Die Fronttore bestehen aus Wellblech, die man mit Stützposten nach oben öffnen kann. Im Inneren des runden Zeltes befinden sich etwa vierzig Zentimeter über dem Boden auf Holzpflöcke genagelte Bretter, die als Sitzbänke dienen.
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