Wiedersehen in Barsaloi
quirliges Mädchen dazu. Die Frau begrüßt mich und beginnt sofort, in Maa etwas zu erzählen. Ich strenge mich an, aus den wenigen Brocken, die ich verstehe, den Inhalt zu erahnen. Plötzlich bin ich hellwach, denn sie versucht mir gerade klar zu machen, dass sie mich von früher kennt. Sie sei zur selben Zeit im Wamba-Spital gewesen, als ich meine Tochter zur Welt brachte. Sie habe damals ihr letztes, das heißt ihr vierzehntes Kind geboren. Ich kann es kaum glauben, was ich mir aus dem Wortschwall zusammenreime. Als sie mir weiterberichtet, dass sie hier die Film-Mama sei, bin ich völlig aus dem Häuschen. Jetzt muss ein Übersetzer her! Ich möchte genau wissen, was sie sagt.
Schnell ist jemand gefunden, der ihre Sprache sowie Englisch spricht. Offensichtlich habe ich alles richtig interpretiert. Es ist unglaublich: Nach vielen Probeaufnahmen mit verschiedenen Samburu-Frauen spielt schließlich eine Frau meine Schwiegermama, die mich bereits aus früheren Zeiten kennt und darüber hinaus zum selben Zeitpunkt in Wamba einem Kind das Leben schenkte wie ich. Diese Neuigkeit kann mich nur glücklich machen und ich habe das Gefühl, dass das kein Zufall sein kann.
Das lustige Mädchen spielt Saguna und heißt im Film Christine. Sie ist lebendig wie ein Gummiball und sucht nach Geborgenheit, das spürt man sofort. Später erzählt man mir, dass sie von ihrer Tante aufgezogen wird, weil ihre Eltern sie entweder weggegeben haben oder gestorben sind. Da die Samburu über Verstorbene äußerst ungern reden, ist es schwer, etwas Genaueres zu erfahren.
Ich beobachte die Film-Mama noch eine ganze Weile und finde sie sehr sympathisch. Allerdings erscheint sie mir im Vergleich zu meiner Schwiegermama etwas jung und dadurch fehlt ihr Mamas mystische Ausstrahlung. Aber hier am Lagerfeuer, mit der eben gehörten Geschichte, fühle ich mich ihr eng verbunden. Sie erwähnt, dass sie einige meiner Familienmitglieder aus Barsaloi kenne. Ich freue mich und bin wirklich gespannt, wie sie die Rolle der Schwiegermama meistert. Für mich spielte Mama natürlich eine Hauptrolle. Sie bewahrte mich vor viel Leid und gab mir innerlich enorm viel Kraft. Wenn das im Spielfilm gezeigt werden könnte, wäre ich mehr als glücklich.
In der Zwischenzeit sind alle Stühle am Feuer belegt und es wird, wie unter Afrikanern üblich, palavert und palavert. Sie haben sich immer irgendwelche Geschichten zu erzählen und dabei geht es meistens fröhlich zu. Die Film-Mama steht auf, weil sie sich zurückziehen möchte. Morgen ist wieder ein langer Drehtag. Auch ich verlasse den Lagerplatz und nach einigen Verabschiedungen da und dort begebe ich mich in mein Zelt.
Lemalian alias Lketinga
Frühmorgens werde ich von lautem Vogelgezwitscher geweckt. Ich trete vor das Zelt und erlebe gerade noch den Sonnenaufgang. Einige Meter vor mir steht eine Schirmakazie, an deren äußersten Ästen Vogelnester hängen. Sie sind als runde Kugeln am Ast befestigt und ein kleiner enger Röhrengang führt von unten hinauf. Es sieht lustig aus, wie die Vögel von unten in ihre Nester schlüpfen. An dem Baum hängen sicher drei Dutzend solcher Behausungen und ihre Bewohner fliegen zwitschernd hin und her.
Nach der Morgentoilette schlendere ich zu dem Wagen, in dem sich der Maskenbildner eingerichtet hat, da ich Jacky bei seiner Verwandlung in Lketinga, beziehungsweise Lemalian, auf keinen Fall verpassen möchte. Er sitzt bereits auf seinem Stuhl und begrüßt mich mit einem strahlenden Lachen.
Jacky sei immer guter Laune, obwohl er morgens der Erste und abends der Letzte sei, erzählt mir der Maskenbildner. An der Wand hängt die Perücke mit den langen roten Massai-Zöpfen. Sie sieht erstaunlich echt aus. Ich schaue zu, wie die Verwandlung beginnt.
Zuerst werden Jacky in mühseliger Kleinarbeit die großen Ohrlöcher an seine natürlichen Ohren modelliert, damit die Elfenbeinringe eingesetzt werden können. Irgendwie sieht das braune weiche Teil für meine ungeübten Augen etwas makaber aus, täuschend echt wie ein Stück Menschenohr. Ich bin so fasziniert, dass mir der Maskenbildner das Ohrteil vom Vortag zur Erinnerung schenkt. Mein erster Gedanke ist: Das werde ich Lketinga zeigen. Doch ich verabschiede mich gleich von diesem Vorhaben, da es womöglich wieder viele Diskussionen hervorruft. Wenn es für mich schon täuschend echt aussieht, wie soll ich dann ihm erklären, dass es Materialien gibt, mit denen man alles nachmodellieren kann, und dass es dafür sogar
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