Wiedersehen in Barsaloi
begeistert stimme ich zu, schließlich konnte ich vor vierzehn Jahren bei meiner Flucht keine Erinnerungsstücke mitnehmen. Das möchte ich nun gerne nachholen. Wir erreichen den Ort relativ rasch mit dem Auto. Der weitläufige Markt mit seinen farbenfrohen Waren und den schönen Menschen fasziniert mich sofort. Alles Mögliche wird angeboten: Kalebassen in jeder Größe und Form, Masken, geschnitzte Figuren, Bilder und farbiger Massai-Schmuck in allen Variationen. Es fällt mir nicht schwer, mein Geld auszugeben.
Am Abend habe ich große Lust, für meine Gastgeber zu kochen. So schön es ist, wenn man sich nicht immer ums Kochen kümmern muss, fehlt es mir mittlerweile, da ich in der Schweiz für meine Tochter und mich täglich mit Freude das Essen zubereite. So verbringen wir einen schönen Abend bei Klaus und Irene zu Hause. Bevor wir ins Bett gehen, besprechen wir noch unsere morgige Reise nach Mombasa, die letzte Station meines Keniaaufenthalts.
Mombasa
In Mombasa verlassen wir das Flugzeug und wieder schlägt mir wie damals warme, feuchte Tropenluft entgegen. Ich liebe diesen Meeresgeruch. Der Inlandsflug dauerte zwar nur kurz, doch hat man durch die komplett anderen Verhältnisse fast das Gefühl, in einem anderen Land zu sein. Klaus hat gut vorgearbeitet und so erwartet uns ein ihm bekannter Taxifahrer, der uns die nächsten eineinhalb Tage zur Verfügung steht. Viel Zeit bleibt mir also nicht, alte Erinnerungen aufzufrischen.
Wir fahren zuerst in die Altstadt, wo es viele Gemüse- und Obstmärkte gibt. Die zweitgrößte Stadt Kenias ist muslimisch geprägt. Neben schwarz verschleierten Frauen bewegen sich aber auch westlich gekleidete Afrikanerinnen. Der Lebensrhythmus ist hier bei weitem nicht so hektisch wie in Nairobi. Endlich kann ich wieder einmal zu Fuß unterwegs sein. Ich schlendere durch die Altstadt und sauge tief die würzige Luft ein, ein sattes Gemisch aus Meersalz, Früchten und Gewürzen. Die in Säcke gefüllten roten, orangenen, gelben und schwarzen Gewürzpulver sind ein Genuss für Augen und Nase. Auch die zahlreichen verschiedenen Früchte riechen so intensiv, wie wir es bei uns im Supermarkt nie erleben. Unentwegt werde ich aufgefordert, etwas zu probieren. Viele Frauen sitzen am Boden unter einem Schirm, der sie vor der brütenden Sonne schützt und bieten ihr Gemüse zum Verkauf an. Was würde wohl Mama sagen, wenn sie dies alles sehen könnte?
Ich schlendere zum Fort Jesus hinunter, eine von Portugiesen im Jahre 1593 erbaute Festungsanlage, und genieße die leichte Brise, die durch meine Kleider weht. Von weitem sehe ich die Likoni-Fähre, auf der mein afrikanisches Schicksal begonnen hat. Morgen werde ich sie wieder betreten. Heute ist es dafür schon zu spät und wir begeben uns für eine Nacht in ein Hotel etwas außerhalb von Mombasa.
Die Likoni-Fähre
Nach dem Frühstück holt uns der Fahrer ab. Leider regnet es immer wieder kurz und der Himmel ist verhangen. Wir fahren von der Nordküste in Richtung Mombasa und direkt zur Fähre. Autos und Laster stehen in einer langen Schlange und Hunderte von Menschen warten auf das Anlegen des Schiffes. Obwohl die Überfahrt nur ein paar Minuten dauert, herrscht hier immer reger Betrieb. Während ich das Anlegemanöver beobachte, stelle ich fest, dass diese Fähre um einiges größer ist als meine »Schicksalsfähre«. Dann lasse ich mich mit der Menschenmasse treiben.
Klaus und ich sind die einzigen Weißen unter den sicher 500 Personen, die sich auf der Fähre befinden. Wie vor achtzehn Jahren – auch damals waren mein Freund Marco und ich die einzigen Touristen an Deck. Ich steige auf das Oberdeck und mein Blick schweift über die Köpfe der unruhigen Menge hinweg auf das offene Meer. Versonnen muss ich daran denken, was die Überfahrt auf dieser Fähre alles ausgelöst hat. Wer hätte damals gedacht, dass dieses schicksalhafte Ereignis nicht nur mein eigenes Leben in völlig neue Bahnen lenken, sondern auch viele Menschen auf der ganzen Welt bewegen würde? Ich stehe an der Reling und staune über meine eigene Geschichte und den Weg, den sie genommen hat. Ich drehe mich um und blicke – welch eine Ironie – in die Augen eines sehr jungen Massai-Kriegers, der keine fünf Meter von uns entfernt steht. Er ist nicht so groß und schön, wie Lketinga es damals war. Dennoch ruft dieser überraschende Moment all meine Erinnerungen und Gefühle wach. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Ich schließe die Augen und sehe mich, wie
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