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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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Persönliches fragen?«, sagte sie.
    »Klar.«
    »Stimmt das alles?«
    »Machst du Witze?«, sagte ich. »So was hätte ich mir nie ausdenken können.«
    »Es ist mir gleich so vorgekommen.« Der Hauch eines Lächelns huschte über ihre Mundwinkel und war auch in ihren Augen zu erahnen, wo er ein sanftes inneres Leuchten hervorrief, das ich fast hören konnte wie das leise Klingeln einer gerade eingetroffenen SMS. »Ich bilde mir einiges darauf ein, dass ich die Wahrheit von Schwachsinn unterscheiden kann.«
    »Ein seltenes Talent«, sagte ich.
    »Nicht mehr so erstaunlich, wie es früher mal war.«
    »Vielleicht hättest du Detektivin werden sollen.«
    Sie lachte fröhlich und ungekünstelt. »Das fragen dich die Leute bestimmt sehr oft.«
    »Was?«
    »Na – wahr oder ausgedacht?«
    »Eigentlich nicht«, antwortete ich. »Schon komisch, aber den meisten Leuten scheint es egal zu sein.«
    Genau so war es. Sie hatten gelesen oder im Fernsehen gesehen, was mir und Gobi an jenem Abend in New York passiert war, hatten darüber in ihren Blogs geschrieben, alles weitergeschickt und auf Facebook »geliked« und darüber getwittert. Was die amerikanische Öffentlichkeit anging, war das, was uns in dieser Nacht passiert war, die Wahrheit, einer dieser unwahrscheinlichen Fetzen »Realität«, der sich in unserer Nach-MTV-Welt wie ein Virus verbreitete, von jedem mehr oder weniger akzeptiert wurde, und dann mit der nächsten Neuigkeit wieder ins Vergessen geriet.
    »Dann bist du also nicht von der Polizei«, sagte ich.
    »Nein.«
    »Was machst du sonst so, außer die Post zu lesen und in Brooklyn auf Partys zu gehen?«
    Sie lächelte und hob eine Augenbraue. »Hat das Leben denn noch mehr zu bieten?«
    »Kommt wahrscheinlich drauf an, wen du fragst.«
    »Allerdings. Ich arbeite jedenfalls in der Musikbranche.«
    Ich spürte, wie mein Herz einen kleinen Satz machte, denn diese Unterhaltung bewegte sich jetzt eindeutig in die Richtung Zu-schön-um-wahr-zu-sein. »Ach. Im Ernst?«
    »Ja.«
    »Das ist ja witzig«, sagte ich. »Ich spiele nämlich in einer Band.«
    »Inchworm.« Paula nickte. »Das weiß ich aus dem Artikel.«
    »Genau.« Ich dachte mir, dass ich mich echt in dieses Mädchen verlieben könnte. »Na ja, also … äh … wir haben uns abgesprochen, dass wir vor dem College alle ein Jahr Pause machen, einfach um mal zu sehen, ob wir was reißen können. Wenn nicht …« Ich zuckte die Achseln.
    »Wenn ihr es nicht versucht, werdet ihr euch ewig darüber ärgern.«
    Ich nickte. »Stimmt.«
    »Schick mir doch mal ein Demo vorbei.«
    »Im Ernst?«
    »Klar. Ich arbeite für diesen Veranstalter aus Europa, George Armitage –«
    »Warte mal«, sagte ich. »Meinst du den George Armitage?«
    »Ja. Genau.«
    »Du machst wohl Witze? Armitage ist zurzeit der heißeste Veranstalter auf der ganzen Welt. Seit dem Enigma-Festival letzten Sommer in England jedenfalls, außerdem gehört ihm eine eigene Fluggesellschaft … Und du arbeitest für diesen Typen?«
    Paula lächelte. »Ja, ich bin sozusagen die Verbindung zwischen ihm und den Plattenfirmen. Ich stehe auf seiner Gehaltsliste, aber die Hälfte meiner Zeit verbringe ich in L. A. und arbeite mit neuen Bands im Studio. Sozusagen eine Stelle, die ich mir selbst geschaffen habe.«
    »Das hört sich genial an.«
    »Ich bin im Laurel Canyon aufgewachsen.« Paula schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Mein Vater ist in den Siebzigern in der Musikbranche A&R-Manager gewesen, hat damals mit den ganzen Legenden gearbeitet – Fleetwood Mac, Steely Dan, den Eagles. Madonna und Sean Penn haben sich praktisch in unserem Pool scheiden lassen. Das Musikgeschäft liegt mir sozusagen im Blut.«
    Und so fing die Sache an. Man hört so viel von Schicksal und Glück und blindem Zufall, und nicht einmal jetzt weiß ich, wo ich in dieser Hinsicht stehe, aber eins kann ichmit Sicherheit sagen: In diesen Wochen und Monaten, in denen Paula und ich uns nähergekommen sind, stellte sie sich als genauso vertrauenswürdig, ehrgeizig, phantasievoll und witzig wie an jenem ersten Abend heraus, und als ich sie noch besser kennenlernte, gingen mir irgendwann die Adjektive aus. Sie war eine von diesen umwerfend temperamentvollen Leuten, die sich unterwegs auf einem Bauernmarkt inmitten einer Unterhaltung über das sowjetische Kino der 1940er Jahre plötzlich zwei Bananen an die Stirn hält und so tut, als wären es ihre Augenbrauen.
    Und sie war unbegreiflich schön, eindeutig mehrere Nummern zu

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