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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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Ringsum war alles dunkel, und es regnete, und wir blieben einfach eng aneinandergeschmiegt neben dem Metallgeländer sitzen, bis die Gendarmen kamen und uns wegführten.

46
    »Brand New Friend«
    – Lloyd Cole and the Commotions
    »Hallo, mein Junge.«
    Ich saß in dem ansonsten leeren Wartezimmer des Amerikanischen Krankenhauses Paris, in dem der Fernseher lief. Ich musste den Blick nicht von der französischen Version von The Biggest Loser lösen, um zu sehen, wer gerade hereinspaziert kam. Agent Nolan stand mit seiner Aktentasche unter dem Arm in der Tür und wartete darauf, dass ich auf ihn aufmerksam wurde.
    »Sagst du mir nicht Guten Tag?«
    »Entschuldigung.« Ich drehte ihm mein anderes Ohr zu, das, mit dem ich noch hören konnte. »Reden sie hier rein.«
    »Wo ist die Familie?«
    »In einem Hotel«, antwortete ich. Was grundsätzlich stimmte. Meiner Meinung nach musste Nolan nicht unbedingt wissen, dass meine Eltern in zwei verschiedenen Hotels auf verschiedenen Seiten der Seine untergebracht waren. Manche Dinge musste nicht einmal die CIA wissen.
    »Was ist mit deiner Band?«
    »Die ist gestern mit unserem Manager nach New York zurückgeflogen.«
    »Und du? Geht’s auch bald nach Hause?«
    »Morgen. Wahrscheinlich.« Ich griff nach der Fernbedienung.
    Nolan blickte in den Flur in Richtung Operationssaal. »Wie lange ist sie schon drin?«
    »Dreizehn Stunden. Sie müssten bald fertig sein.«
    »Kriegen sie denn alles raus?«
    »Was kümmert Sie das?«
    »Verrückt, was?«
    »Was jetzt?«
    »Sie trägt dort oben eine schussfeste Weste, die ihr das Leben rettet, und dabei bringt sie die ganze Zeit dieser Tumor langsam um.«
    Er wollte noch mehr sagen, und ich drehte ihm mein schlechtes Ohr zu. Als er das sah, kam er ins Zimmer und stellte sich direkt zwischen mich und den Fernseher.
    »Hör zu, Perry. Wir haben bei unserer ersten Begegnung auf dem falschen Fuß angefangen. Vielleicht hast du auch nur eine brutale Lektion in Kanonenbootdiplomatie mitgekriegt – wer weiß?« Er zuckte die Achseln. »Was ich dich vorhin über sie gefragt habe … Ich wollte nur freundlich sein. Ich habe mich bereits mit den Neurochirurgen darüber unterhalten. Sie haben gesagt, sie liege im Koma.«
    »Künstlichem.«
    »Was?«
    »Im künstlichen Koma. Das wird immer gemacht, um nach einer schweren Operation die höheren Gehirnfunktionen zu schützen.
    »Da hat wohl jemand bei Wikipedia nachgelesen.«
    Ich machte den Fernseher aus und sah ihn an. »Warum sind Sie hier?«
    »Ehrlich gesagt …« Er seufzte, setzte sich neben mich und zupfte an den Säumen seiner Anzughose. »Ich möchte helfen.«
    »Solange Sie nicht machen können, dass ich auf dem linken Ohr wieder höre oder …« – beinahe hätte ich gesagt ›oder die Ehe meiner Eltern retten‹ – »das, was passiert ist, ungeschehen machen, kann ich mit Ihnen nicht viel anfangen.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich dir persönlich helfen will«, erwiderte Nolan. »Obwohl ich so etwas im vorliegenden Fall durchaus in die Wege leiten könnte.« Er klappte seine Aktentasche auf und zog einen dicken Stapel amtlich aussehender Dokumente hervor, einige in Englisch, andere in Französisch. »Niemand weiß, wie deine kleine litauische Prinzessin den Eingriff übersteht, oder ob sie ihn überhaupt übersteht. Sogar die Ärzte sagen, dass man jetzt noch nichts Genaues sagen kann. Eins ist jedoch schon mal sicher: Am Ende steht irgendjemand mit einer gewaltigen Krankenhausrechnung da. Wir reden hier von Millionen an Reha und diesem ganzen Kram. Sie dürfte bis an ihr Lebensende verschuldet sein.«
    »Darf ich raten?«, sagte ich. »Sie können das alles übernehmen.«
    »Unsere Firma, ja. Wahrscheinlich.« Er beobachtete mich aus dem Augenwinkel. »Für gewisse Gegenleistungen.«
    »Vergessen Sie’s.«
    »Immer mit der Ruhe, mein Junge. Nur nichts überstürzen. Momentan wissen wir nicht mal, ob sie es überlebt. Aber wenn ja?« Wieder ein Schulterzucken. »Gut möglich, dass sie nicht mal mehr geradeaus schießen kann. Aber dieses Risiko gehen wir ein.«
    »Wie großzügig.«
    »He, wie schon gesagt, wir tun, was wir können. Auf jeden Fall wollte ich dich nur, sozusagen im Sinne einesNeuanfangs, wissen lassen, dass Uncle Sam das alles übernimmt. Egal, was es kostet, um sie wieder auf die Beine zu kriegen.« Er grinste. »Gesund und munter, natürlich.«
    »Agent Nolan?«
    »Ja, mein Junge?«
    »Was ich jetzt sage, ist wirklich mein voller Ernst –«
    »Was

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