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Wiedersehen in Stormy Meadows

Wiedersehen in Stormy Meadows

Titel: Wiedersehen in Stormy Meadows Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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achtzehnten Jahrhundert war Highdown House im Herzen von Sussex der Landsitz eines bekannten Ministers, und seit zweihundert Jahren beherbergt es die Sandra Cheal School of Dancing. Das private Mädcheninternat ist stolz auf seinen guten Ruf. Neben dem hervorragenden Schulunterricht ist die Ausbildung in den Bereichen Tanz und Theater praktisch konkurrenzlos. Letzteres ist einer der Hauptgründe dafür, dass Cassie diese Schule besucht.
    Cas will in die Fußstapfen ihrer Mutter treten und verfolgt dieses Ziel wie eine Besessene. Eve, Robs erste Frau, war Tänzerin, eine Primaballerina. Ein Gemälde von ihr hing in Robs Wohnzimmer über dem Kamin, noch als wir uns kennenlernten. Es fiel mir sofort ins Auge, als ich zum ersten Mal den Raum betrat. Eve Forester besaß eine fast ätherische Schönheit, wie ein mythisches Wesen, das durch einen Zauber in einen Bilderrahmen verbannt worden war.
    Eve starb, als Cassie erst zwei war. Ihr Tod war fast so dramatisch wie ihr Leben, allerdings starb sie nicht auf der Bühne, sondern hinter den Kulissen, während sie auf ihren Auftritt wartete. Ein geplatztes Aneurysma. Wegen ihres strapaziösen Terminkalenders hatte die angeborene Schwachstelle zum Tode geführt. Natürlich verehrt Cassie die tote Eve viel mehr, als sie eine lebende Mutter jemals bewundern könnte. Dem Hörensagen nach war Eve schwierig und recht egozentrisch. Für Cassie jedoch wird sie immer schön, tadellos und engelsgleich bleiben.
    Ganz im Gegensatz zu mir, der bösen Stiefmutter.
    Eleanor Brice wirkt genauso akkurat und nüchtern wie ihr Büro. In einem adretten Kostüm von Windsor erwartet sie mich hinter einem Eichenschreibtisch mit grüner Lederauflage. Die Schulleiterin lehnt sich still beobachtend zurück und mustert mich ebenso neugierig, wie ich ihre Umgebung betrachte. Dann lädt sie mich mit einer Geste ein, ihr gegenüber Platz zu nehmen.
    »Mrs. Forester? Ich bin Eleanor Brice.« Sie erhebt sich ein wenig und streckt mir ihre schmale Hand entgegen. Ich schüttle sie nervös und hoffe, dass meine eigene Hand nicht allzu feucht ist und auch nicht zu zittrig vor Nervosität.
    »Danke, dass Sie so prompt auf meinen Anruf reagiert haben. Ich hoffe, Sie hatten eine gute Fahrt hierher. Darf meine Sekretärin Ihnen eine Erfrischung bringen? Kaffee vielleicht?«
    Ich nicke dankbar, denn bei der Vorstellung, dass ich Cassie gleich wiedersehen werde, ist meine Kehle plötzlich sehr trocken. Mrs. Brice gibt ihrer Sekretärin eine kurze Anweisung.
    Die Schulleiterin hat silbrigblondes, stufig geschnittenes Haar, das ihr in weichen Wellen fast bis auf die Schultern fällt. Ihr Gesicht ist nicht unattraktiv, so symmetrisch, als spiegelte eine Seite die andere. Trotz ihrer Zierlichkeit verströmt sie aus jeder Pore eine ruhige Autorität. Ich kann mir vorstellen, dass sie einen eisernen Willen hat, dabei aber fair ist, und nach diesem ersten Eindruck ist sie mir recht sympathisch. Jedenfalls ähnelt sie in keiner Weise dem Drachen, der damals mit schneidend scharfer Zunge meine eigene Schule leitete.
    Die Sekretärin erscheint mit dem Kaffee, und Eleanor Brice wartet, bis sie die Tür wieder hinter sich geschlossen hat, bevor sie weiterspricht.
    »Es tut mir sehr leid, dass wir Sie so kurzfristig herbemühen mussten.«
    »Was ist denn passiert?«
    »Ich denke, wir sollten warten, bis Cassandra auch hier ist, bevor ich Ihnen die Einzelheiten dieses recht … unglücklichen Vorfalls schildere.«
    »Eigentlich würde ich gerne schon vorher erfahren, um was es geht, damit ich nicht ganz unvorbereitet bin.«
    Eleanor Brice denkt einen Moment nach. Dabei legt sie die Fingerspitzen gegeneinander und schürzt die Lippen. Bevor sie jedoch antworten kann, klopft es.
    Ein Mädchen betritt den Raum. Auf den ersten Blick erkenne ich die missmutige Fünfzehnjährige, die ich vor fast vier Monaten zuletzt gesehen habe, kaum wieder. Ihr damals blassgoldenes langes Haar hat eine erstaunliche Verwandlung durchgemacht. Es ist jetzt streichholzkurz und platinblond gefärbt. Der Radikalschnitt lässt Cassies Gesicht noch fragiler und elfenhafter erscheinen, ihre blauen Augen brennen vor Empörung und Beschämung. Sie hat die gleiche Augenfarbe wie ihr Vater, denke ich, aber seine waren stille Seen, während ihre eher tobenden Meeren gleichen. Cassie hat abgenommen, aber vielleicht erscheint mir das auch nur so, weil sie bestimmt vier Zentimeter gewachsen ist. Der Ehering ihrer Mutter, den sie immer an einer Kette um den Hals

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