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Wienerherz - Kriminalroman

Wienerherz - Kriminalroman

Titel: Wienerherz - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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eckigen Gläsern. Langstreckenläufer, mutmaßte Freund.
    Florian Dorin hatte keine Funktion in der Bank gehabt, weder im Vorstand noch im Aufsichtsrat.
    »Herr Dorin erwartet Sie.«
    Freund folgte der Frau durch einen Flur entlang der Fensterfront bis zu einer Flügeltür.
    Der Raum war kleiner, als Freund ihn in diesem Gebäude erwartet hätte. Vom Schreibtisch kam ihm Leopold Dorin entgegen. Er war etwas größer als Freund und noch schlaksiger als Canella. Trotzdem saß sein Anzug, als sei er darin geboren worden. Freund schlug den angebotenen Stuhl aus und kam gleich zur Sache.
    Dorin, der ebenfalls stehen geblieben war, zeigte keine Regung.
    »Florian?«, fragte er schließlich ruhig.
    »Ich muss einen Verwandten informieren«, erklärte Freund. »Ihren Eltern wollte ich das nicht antun. Ich denke, Sie können das besser.«
    Dorin nickte kaum merklich. In seinem Kopf arbeitete es.
    »Da haben Sie wahrscheinlich recht. Wie hat er es gemacht?«
    »Mit einem Jagdgewehr.«
    »Ich kann das nicht glauben. Mein Bruder war so ein lebensfroher Mensch.«
    »Wir brauchen jemanden, der ihn identifiziert.«
    »Ich stehe selbstverständlich jederzeit zur Verfügung. Wissen seine beiden Ex-Frauen und vor allem die Kinder schon Bescheid? Sie hingen an ihm.«
    »Ich habe sie noch nicht erreicht.«
    »Ich übernehme das.«
    Freund war die gefasste Art des Mannes recht, aber auch unheimlich. Als müsse er eines seiner Geschäfte abwickeln, ein unangenehmes. Vielleicht aber stand er auch nur unter Schock.
    »Hat er etwas hinterlassen? Eine Nachricht, meine ich?«
    »Dass es ihm leidtut.«
    »Was?«
    »Die Tat, nehme ich an. Oder könnte es etwas anderes sein?«
    »Ich kenne die Geschäfte meines Bruders nicht.«
    Ein anderer Grund kam ihm nicht in den Sinn, dachte Freund.
    »Vielleicht hat es mit denen nichts zu tun.«
    »Wegen einer Frau hat sich Florian noch nie gequält. Und was sollte es sonst sein? Depressionen hatte er ganz sicher nicht. Wann soll ich zur Identifizierung kommen? Und wohin?«
    Dreizehn Uhr, pathologisches Institut. Freund nannte ihm die Adresse im neunten Bezirk.
    »Ich werde dort sein«, sagte Leopold Dorin.
    Leopold Dorin erschien pünktlich zur Identifizierung. Er trug einen Lodenmantel und Filzhut. Er begrüßte Freund und Romana Wanek ruhig und sachlich.
    Der Mund des Leichnams war geschlossen, der (fehlende) Hinterkopf eingewickelt, der Körper mit einem Leintuch bedeckt.
    »Ist das Ihr Bruder, Florian Dorin?«
    Leopold Dorin stand ungerührt, den Mantel geschlossen, die Arme hingen an den Seiten herab, in seiner Rechten hielt er den Hut am Oberschenkel.
    »Er hat abgenommen.«
    »Der Eindruck kommt von seinem … Zustand«, bemerkte Romana Wanek.
    »Der betont es noch. Er ist schlanker geworden in den vergangenen Monaten. Er war immer etwas übergewichtig.«
    In Freunds Ohren klang das wie ein Vorwurf an den toten Bruder. Er musste an seinen eigenen Bauch denken, der fünfzehn Kilo weniger vertragen hätte, ginge es nach den Ärzten und Claudia.
    »War er sofort tot?«
    »Schneller als sofort«, erklärte die Ärztin.
    »Man sieht kaum etwas«, stellte Dorin fest, und zum ersten Mal meinte Freund, so etwas wie Wärme in seiner Stimme zu hören.
    »Dafür sorgen wir, wenn möglich«, erklärte Doktor Wanek.
    »Danke.«
    Er wandte sich zum Gehen.
    »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
    Sie gingen hinaus.
    »Besaß Ihr Bruder ein Gewehr?«
    »Mehrere. Er ging gelegentlich auf die Jagd. Wenn auch eher aus geschäftlichen und gesellschaftlichen Gründen denn aus Leidenschaft.«
    Diesmal schien Freund die Bemerkung verächtlich. Ob wegen der Tätigkeit an sich oder der fehlenden Leidenschaft erschloss sich Freund nicht.
    »Richten Sie Ihrer Familie mein Beileid aus.«
    »Danke. Wann können wir ihn begraben?«
    Das war bei Suiziden immer ein heikler Moment.
    »Nach der Obduktion.«
    Leopold Dorin gefror mitten im Schritt.
    »Obduktion? Wozu?«
    »Wenn der Arzt keinen natürlichen Tod feststellen kann, wird obduziert.«
    »Aber der Fall ist doch eindeutig!«
    »Es tut mir leid.«
    »Weshalb müssen Sie das meinem Bruder noch antun?«
    Freund war fast überrascht über diesen – wenn auch kleinen – Gefühlsausbruch.
    »Wie gesagt …«
    Dorins Gesicht wurde noch kantiger. Mit langen Schritten setzte er seinen Weg fort.
    »Tun Sie, was Sie tun müssen«, sagte er schroff, ohne Freund anzusehen.

Wichtige Leute
    Wenn der Polizeipräsident, kurz Pepe, Freund im Büro besuchte, musste er dafür einen

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