Wienerherz - Kriminalroman
einige Fotos von der Häuserfront, dann zoomte sie den Schriftzug heran und fotografierte auch ihn.
Alle drei Häuser, in denen die Frauenköpfe gefunden worden waren, hatten an der Fassade auffällige Malereien. An der Front der Pizzeria »Comtessa« prangten drei Musketiere, die ihre Degenklingen zur verschworenen Einheit kreuzten, an der »Bounty« segelte ein Dreimaster durch schäumende Gischt, und hier stand einsam und verloren das Wort »Romane«.
Der Täter hatte sich diese Orte nicht zufällig ausgesucht. Wer sich die Mühe machte, die Gesichter seiner Opfer so sorgfältig zu schminken, der wusste genau, warum und wo er seine Beute zur Schau stellte. Jedenfalls musste es etwas mit Floridsdorf zu tun haben. Alle drei Fundorte lagen im zweiundzwanzigsten Bezirk: Brünner Straße, Prager Straße und die Pizzeria auf der Donauinsel. Also könnte der nächste Kopf ebenfalls in diesem Bezirk ausgestellt werden, und zwar in einem Haus, das in der Reihe Sinn ergab.
Valentina biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. Sie konnte nicht bis zu einem vermuteten nächsten Mord hindurch all die Häuser, die ins Profil passten, observieren lassen, so viel Personal hatte sie nicht. Zudem war es nur Spekulation. Aber sie konnte nach einem weiteren Haus mit Fassadenmalerei Ausschau halten.
Valentina überquerte wieder die Straße und ging auf ihr Fahrrad zu, neben dem Zirner bereits auf sie wartete.
»Und?«, fragte er.
»Es gärt«, antwortete sie.
»Auch auf der Dienststelle. Und weiter oben.«
»Kann ich mir denken.«
»Viel Zeit hast du nicht mehr. Drei ist eine magische Zahl. Darauf springen nicht nur die Medien an.«
»Versuche immer die Wahrheit zu erkennen, ehe du dich festlegst, und denke daran, dass eine einzige Informationsquelle nie ausreicht, um sich ein Urteil über etwas zu bilden. Du brauchst mindestens drei.«
»Wer hat das gesagt? Konfuzius? Jesus? Der Papst?«
»Fast«, sagte Valentina abwesend. »Es war Bernardo Provenzano, in einem Brief an Gino Ilardo.«
Sie kannte die Geschichten des skurrilen Paten, den die italienischen Kollegen erst kürzlich in einer Schäferhütte geschnappt hatten, auswendig. Über Jahre hinweg hatte er mit handgeschriebenen Zetteln die Organisation dirigiert. Sie hatte Provenzano studiert, ihn und die Mafia. Sie war getrieben davon. Es gab nichts, was sie nicht darüber wusste, keine Legende, die sie nicht kannte. Und deren gab es viele. Jede Organisation war nur so stark, wie es ihre Legenden waren. Nur deswegen existierte die katholische Kirche schon seit zweitausend Jahren. Und spielte nicht auch sie mit der Zahl Drei? Aber auf die Drei folgte die Vier. Es konnte hier auch einen vierten Mord geben. Den galt es zu verhindern. Und dafür musste der Mörder so schnell wie möglich gefasst werden.
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