Wikinger meiner Träume
wandte sich Krysta zu Dragon und erkundigte sich nach seiner Reise. Wohl oder übel musste er antworten. Dann bat der Priester die Braut, von ihrem Besuch in Winchester zu erzählen. Ärgerlich sah sich Hawk dem Brautvater ausgeliefert. Von einem liebevollen Lächeln seiner Gemahlin beschwichtigt, seufzte er und fragte Wolscroft, ob er die Bärenjagd immer noch für einen erfreulichen Zeitvertreib halte.
So verstrichen die nächsten Stunden. Rycca aß fast nichts, und Dragon sprach kein einziges Mal mit ihr. Scheinbar nahm er ihre Anwesenheit gar nicht zur Kenntnis, obwohl sie sich, wie es üblich war, einen Teller teilten.
Einmal berührte sie versehentlich seine Hand und spürte, wie er sich plötzlich versteifte. Aber er schaute sie noch immer nicht an.
Tapfer verbarg sie ihren Kumifier, dankbar für die Gesellschaft des gütigen Priesters, der sich als interessanter Gesprächspartner erwies. Er war in einer der Schulen ausgebildet worden, die König Alfred im ganzen Land gegründet hatte, und das Studium der Natur bereitete ihm ganz besondere Freude. Nach einem langen, ausführlichen Vortrag über die Gewohnheiten der Meise unterbrach er sich plötzlich und errötete. »Verzeiht mir, Lady Rycca, ich fürchte, ich schwatze zu viel und stelle Eure Geduld auf eine harte Probe.«
»Keineswegs!«, beteuerte sie hastig. »In meinem bisherigen Leben fand ich nur selten eine Gelegenheit, mich mit der Natur zu befassen, abgesehen von dem alltäglichen Erscheinungen in der Umgebung eines Herrschaftshauses. Aber manchmal vernachlässigte ich meine Pflichten und beobachtete, wie ein Vogel sein Nest baute oder eine Hirschkuh ihre Jungen betreute. Jene Augenblicke zählen zu meinen kostbarsten Erinnerungen.«
Verständnisvoll nickte der Priester. »Genauso geht es mir, und ich darf mich glücklich schätzen, weil Lord Hawk und Lady Krysta mich immer wieder ermutigen, die Tiere zu zeichnen, die mir begegnen. Seine Lordschaft hat ein weiteres Buch in Auftrag gegeben und möchte seine Schreibstube vergrößern.«
Ehe Rycca antworten konnte, wurde sie von einem kleinen Tumult am anderen Ende der Tafel abgelenkt. Das Gesicht vom Alkohol gerötet, versuchte Ogden eine junge Magd auf seinen Schoß zu ziehen. Mit dem linken Arm umschlang er ihre Taille, mit der rechten Hand zerrte er am Oberteil ihres Kleids. Verängstigt wehrte sie sich.
Hawk und Dragon sprangen sofort auf. Da der Festungsherr näher bei Ogden gesessen hatte, packte er ihn zuerst. Sekunden später griff auch sein Freund zu. Hawk befreite die Dienerin, indem er den Arm des jungen Trunkenbolds von ihrer Taille riss und auf seinen Rücken drehte. Dann zerrte er ihn auf die Beine.
Verspätet erkannte Rudyard Wolscroft, was neben ihm geschah, wollte aufstehen und wurde unsanft auf seinen Stuhl zurückgedrückt. »Was soll das?«, rief er kampflustig. »Mein Sohn hat nichts verbrochen, der will sich nur ein bisschen amüsieren.«
»Nicht hier«, erwiderte Hawk und winkte zwei seiner Krieger zu sich. »Lord Ogden fühlt sich unwohl. Bringt ihn in sein Zimmer.«
»Was zum Teufel...« Das konnte Wolscroft nicht hinnehmen, und so versuchte er erneut, sich zu erheben. Aber Dragon hielt ihn eisern fest. »Lasst mich los, Junge! Vielleicht bildet Ihr Euch ein, hier könntet Ihr den Ton angeben. Da täuscht Ihr Euch. Von Euresgleichen lasse ich mich nicht beleidigen.«
Rycca schnappte nach Luft. Auch sie war aufgestanden. Entsetzt beobachtete sie die Szene. Dass Ogden die weibliche Dienerschaft belästigte, wenn er zu tief in den Becher geschaut hatte, war nichts Neues - genauso wenig das anmaßende Benehmen ihres Vaters.
Zu einem solchen Verhalten fühlten sich beide berechtigt und nahmen es ernstlich übel, wenn jemand andere Ansichten bekundete. Das missfiel auch ihrem Gefolge, das am Nachbartisch saß.
Mit glasigen Augen spähten die Mercier herüber, einige waren bereits auf den Beinen. Hawk und Dragon wechselten einen kurzen Blick. Wenn Ogden aus der Halle geführt wurde, bestand immer noch die Möglichkeit, den Zwischenfall friedfertig zu beenden. Dragon ließ Wolscroft los, der erbost aufsprang, und trat zurück, ohne den älteren Mann aus den Augen zu lassen. »Natürlich will ich nicht mit Euch streiten, aber Euer Sohn hat zu viel getrunken. Deshalb sollte er nicht mehr mit den Ladys an einem Tisch sitzen und sich zurückziehen.«
»Ach, tatsächlich?«, fauchte Wolscroft. Er schwankte, gewann aber sein Gleichgewicht sofort wieder und tastete nach seiner
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