Wikinger meiner Träume
um an dessen Hochzeit teilzunehmen. Aber er war der Braut nicht vorgestellt worden, wegen der - ungewöhnlichen Ereignisse. Rycca lächelte, fest entschlossen, den Mann zu mögen, dem ihr Gemahl offensichtlich vertraute. Aber im nächsten Augenblick empfand sie ein Unbehagen, das sie sich nicht erklären konnte. So gut wie Dragon sah Magnus nicht aus. Ganz im Gegenteil, er hatte eher unscheinbare Züge. Als er sich vor ihr verneigte, wirkte er freundlich. So wirkte er nur. Ihr verhasstes Talent wies sie wieder einmal darauf hin, dass der äußere Schein nicht zählte.
Nur die Wahrheit zählte.
Und was mochte wahr sein?
In Magnus' Augen las sie Respekt und Bewunderung. »Hier seid Ihr hoch willkommen, Mylady. In der Tat, Eure Ankunft erfüllt uns alle mit großer Freude.«
Aalglatt... Was stimmte nicht mit ihm? Offenbar ein diplomatischer Mann - was keineswegs bedeuten musste, er wäre illoyal.
»Auch ich bin froh, dass meine Reise ein so wunderbares Ende fand«, erwiderte Rycca. »Mit diesem Empfang habe ich nie gerechnet.«
»Wirklich nicht? Sicher wusstet Ihr, wie sehnlich wir uns den Frieden wünschen.«
Er nicht.
Diesen Argwohn musst du bekämpfen, ermahnte sie sich. Für ihren Verdacht gab es nicht den geringsten Grund. Der Mann war nett und höflich. Und Dragon konnte den Spreu gewiss vom Weizen trennen. Wenn er Magnus vertraute, durfte sie keine Zweifel hegen.
Blut... Feuer... Schmerzen...
Sekundenlang schloss sie die Augen und versuchte die Erinnerungen zu verdrängen, die ihre heitere Stimmung bedrohten.
»Was bedrückt dich?«, fragte Dragon voller Sorge. Seine Güte veranlasste sie erst recht, ihr Misstrauen zu verabscheuen, das einen dunklen Schatten über diesen erfreulichen Tag warf.
»Nichts«, beteuerte sie hastig und zwang sich zu einem Lächeln, »ich bin nur müde.«
»Daran hätte ich denken müssen.« Vermutlich gab er der Menge irgendein Zeichen, denn sie wich zurück, als er seine Gemahlin auf die Arme nahm. Trotz ihres schwachen Protests trug er sie zu einem der Holzhäuser. Größer als die anderen, stand es etwas abseits.
Bevor er mit einer Schulter die Tür aufstieß, sah Rycca die Schilde zu beiden Seiten. Die Luft roch nach Kiefern. An den Fenstern waren die Vorhänge aus Wachstuch hochgerollt, die Läden geöffnet. Eine Matte aus frischen Binsen bedeckte den Boden, Blumen schmückten einen Tisch. Auf dem breiten Bett mit dem kunstvoll geschnitzten Kopfteil lagen frische Laken. Auch ein halbes Dutzend Truhen war reich verziert mit Ornamenten und Jagdszenen. Eiserne Kohlenbecken wurden von schlangenförmigen Ständern gehalten, ebenso wie mehrere Tabletts mit verschiedenen Gefäßen. In diesem Raum wirkte alles schön und zweckmäßig zugleich, die gesamte Einrichtung zeugte von Reichtum und erlesenem Geschmack.
Für Rycca, an die unkultivierte Ausstattung von Wolscroft gewöhnt, war das Haus eine Offenbarung. In der Jagdhütte bei Hawkforte hatte sie geglaubt, etwas Schöneres könnte es nicht geben. Jetzt musste sie sich eines Besseren belehren lassen. Aber im Gegensatz zur Hütte war dies eindeutig die Domäne eines Mannes, das verrieten die Waffen und Banner an den Wänden.
Und dann entdeckte sie etwas, das ihr den Atem raubte. Auf dem Tisch lag ein Buch. Das erkannte sie sofort, obwohl sie so etwas nur selten gesehen hätte. Es befand sich in einem geschnitzten, bemalten Kästchen, und es juckte sie in den Fingern, danach zu greifen.
Als Dragon der Richtung ihres Blicks folgte, bemerkte er: »Ah, sehr gut, es ist eingetroffen.« Behutsam stellte er sie auf die Füße, ging zum Tisch und nahm das Buch aus der Kassette. »Mein lieber Freund Kareem ben Abdul hat es für mich aufgestöbert. Darin stehen fabelhafte Geschichten, von der Gemahlin eines grausamen Herrn erzählt, den sie so gut unterhielt, dass er ihr das Leben schenkte.«
Trotz ihrer Faszination erschrak sie. »Wie furchtbar? Wollte er sie denn umbringen?«
»Nun, er zürnte allen Frauen. Wer weiß schon, was in einem kranken Gehirn vorgeht... Kannst du lesen?«
Zögernd kämpfte sie mit ihrem Bedürfnis, sich zu schützen. Wie immer siegte ihre Ehrlichkeit. »Ja«, flüsterte sie.
In ihrer Heimat durften die Frauen nicht lesen - nicht nach der Ansicht ihres Vaters. Er glaubte, diese Fähigkeit sollte man nur Mönchen zubilligen, diesen Eunuchen, die niemals aufbegehrten. Aber wenn Frauen lasen, kamen sie womöglich auf dumme Gedanken. Heimlich hatte Rycca lesen gelernt, dank eines Mönchs, der kein
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