Wikingerfeuer
herumwälzten und der Pfeilschaft dabei abbrach. Das Messer entglitt seiner Hand.
Ihr Götter, das würde er nicht überleben, und sie war schuld daran!
Der Bogen half ihr sowieso nichts; bei diesem Gerangel würde sie nur den Falschen treffen. Auch das Schwert wollte sie gegen Yngvarr nicht ziehen. Er kannte sie zu gut, und sie war sich nicht sicher, ob sie den Mann, von dem sie einmal gedacht hatte, sie würde ihn heiraten, töten konnte. Doch sie musste etwas tun. Sie stürmte los und griff mit bloßen Händen nach Yngvarrs langer Mähne, um ihn von Rouwen herunter zu zerren. Er schnellte hoch, presste sein Knie gegen Rouwens Hals und drehte sich halb zu ihr um. Er gab ihr einen so gewaltigen Stoß, dass sie durch die Luft flog. Es gelang ihr kaum, sich abzufangen, sie stolperte rückwärts, rammte gegen die Tür der Schmiede, die aufschwang, und fiel hinein in den düsteren Raum.
Sie landete hart auf dem Boden. Stöhnend rollte sich Rúna auf die Seite. Ihr Bauch schmerzte, wo dieser Mistkerl sie gestoßen hatte. Selbst das Atmen fiel ihr schwer.
Sie biss die Zähne zusammen und stemmte sich hoch, kam mühsam auf die Beine. Übelkeit stieg ihre Kehle hinauf. Noch einmal tief Luft holen … Dann musste sie wieder hinaus. Die Tür war zugeschwungen, fast geschlossen, und es war dunkel. Dennoch sah sie am anderen Ende eine Bewegung. Einen Schatten. Wie aus einem Abgrund tauchte aus dem Schwarz der Schmiede eine Gestalt auf.
Der Mönch.
Hier also hatte er sich versteckt – mit seiner schwarzen Kutte verschmolz er fast gänzlich mit den rußigen Wänden.
Wie ein Dämon löste er sich langsam aus der Düsternis. Die Schatten verbargen die Einzelheiten seines kalten Gesichts. Trotzdem meinte Rúna die roten Narben auf seiner Wange zu erkennen. Wieder fragte sie sich, ob sie von ihrer Mutter stammten.
Draußen hörte sie schnelle Schritte und das Stöhnen der kämpfenden Männer. Sie warf einen raschen Blick durch den Türspalt – Rouwen hatte den abgelenkten Yngvarr abwerfen können; geduckt umkreisten sie sich. Rúna überlegte nicht lange. Rouwen konnte besser kämpfen, wenn sie ihn nicht ablenkte. Und Odin und alle Götter hatten ihr eine zweite Möglichkeit gegeben, den Mörder ihrer Mutter zu richten. Diesmal würde sie nicht zögern.
»Jetzt stirbst du. Für Ingvildr und all das Leid, dass du meiner Familie zugefügt hast.«
»Du wirst sterben«, gab Oxnac ungerührt zurück. »Und zwar genauso wie sie.«
Meinte er das ernst, dieser Wahnsinnige? War er so voll von unheilvoller Lust?
Doch diesmal würde er nicht mit ein paar Schrammen im Gesicht davonkommen. Sie zog das geliehene Schwert. Noch trennten sie allerdings ein paar Schritte und in diesem nachtschwarzen Durcheinander wäre es ihr lieber, er käme auf sie zu.
»Möge deine Seele ins eiskalte Niflheim fahren und erfrieren, Kastrierter!« Yngvarrs Stimme drang nur gedämpft in die Schmiede, doch auch so hörte man noch den Hass darin. Auch in Rouwens Erwiderung schwangen Ablehnung und Ärger mit: »Du dagegen wirst es heiß haben, du Narr. Sicherlich gefällt es dir, im Höllenfeuer gut durchgebraten zu werden.«
Für einen kurzen Moment drohten ihre Sorgen sie abzulenken, doch dann konzentrierte Rúna sich wieder ganz auf die Bedrohung vor ihr. »Komm schon, Mönch, und fall über mich her.« Sie trat zwei lange Schritte vor und legte ihr Schwert zwischen die Werkzeuge auf den Tisch, um ihn zu locken. »Siehst du, ich mache es dir leicht.«
Komm schon her, verflucht!
Ein Triumphschrei Yngvarrs lenkte sie ab – was geschah jetzt dort draußen? Hatte Yngvarrs Messer seinen Weg in Rouwens Fleisch gefunden? Sie zögerte, schwankte zwischen dem Wunsch, Oxnac endlich das verdiente Ende zu bereiten, und dem, hinauszulaufen und Rouwen beizustehen. Plötzlich löste sich der Mönch von der Wand und kam mit erstaunlicher Schnelligkeit auf sie zu. Sie reckte sich nach dem Schwert, doch als sie den Griff umschloss, rutschte es ein Stück nach vorne und die Klinge verfing sich in einer herumliegenden Kette. Oxnac war schnell wie ein Krieger – natürlich, er war imstande gewesen, ihre Mutter zu überwältigen. Und er war bewaffnet.
Er schwang einen Schürhaken. Im letzten Moment schaffte es Rúna, die Klinge hochzureißen und seinen Hieb abzufangen. Alle Kraft warf sie in ihren Arm. Es gelang ihr jedoch nicht, ihm den Haken aus der Hand zu schlagen. Denk an das, was Rouwen dir beigebracht hat , ermahnte sie sich. Dieser Mann mochte ein Mönch sein,
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