Wild auf Fußball
IHR steht Malle Winter, in schwarzen Turnschuhen
und rotem T-Shirt . Mit seinen langen Locken spielt der Wind.
»Beim Fußballspielen?«
»Ja. Du kennst dich doch aus. Hast ja oft genug mit Lino rumgebolzt.«
Das Blut rauscht durch die Neunen in ihrem Kopf wie ein Sturzbach.
»Klar«, sagt Ella.
Malle beißt von seinem Apfel ab, dass es knackt. Er hat auch persilweiße Zähne.
»Wir machen eine gemischte Mannschaft auf. Jungs und Mädchen. Ich bin der Mannschaftskapitän und du könntest in den Sturm,
weil du ja fußballtechnisch gut bist und schnell.«
Woher weiß er das? Hat er ihr etwa schon malzugeguckt? Ihr wird ganz schwindelig bei diesem Gedanken. Ein Windhauch fährt ihr in den Nacken. Sie zieht die Schultern hoch,
hält den Zettel fest in der Hand.
»Da steht alles drauf«, sagt Malle. »Besprechung und Probespiel sind morgen um vier, in der Turnhalle. Wenn du noch beinstarke
Freundinnen hast, bring sie mit.«
»Gut«, sagt Ella. Sie kann sich nicht rühren. Sie kann auch nichts lesen, sie hat auch keine Neunen mehr im Kopf. Nur noch
rauschendes Blut.
»Na dann«, sagt Malle und beißt noch einmal in den Apfel, dass es knackt. Mit vollem Mund federt er auf Zehenspitzen, läuft
los, über den Schulhof, an ein paar Lehrern vorbei, verschwindet in einer Menge von Kindern.
Ella steckt den Zettel in die Hosentasche. Will auf die Toilette, in ihre Kabine, Nummer drei, die mit dem Fenster, und in
Ruhe den Zettel lesen. Ihre Füße gehen schon mal vor. Da haut ihr jemand mit voller Wucht von hinten auf die Schulter.
»Schieb mal ein Brot rüber«, sagt ihr Bruder. »Hab total den Hunger.« Lino hat ein rotes Gesicht, vom Rennen. »Los, mach schon!«
Neben ihm steht der, der heute Morgen vor die Laterne gelaufen ist. Ein rotes Horn ziert seine Stirn. Ellas Hände geben Lino
ein Brot mit Käse. In zwei Bissen ist es weg.
»Was wollte denn Malle Winter von dir?«, fragt er sie mit vollem Mund.
»Was geht dich das an?«, sagt Ella.
»Sei nicht so zickig«, sagt Lino, »sonst setzt's was.«
Sein Beulenkumpel guckt Lino erwartungsvoll an.
Ella grinst nur, breit und verächtlich, so wie die Cowboys grinsen, wenn sie gerade jemanden über den Haufen geschossen haben.
Das haben sie mal mit Mama geübt, im Wohnzimmer, nach einem Western. Mama konnte am besten breitbeinig gehen und am schnellsten
den Colt ziehen. Anstelle der Colts hatten sie sich Bananen in die Gürtel gesteckt. Linos war hinterher ganz matschig, weil
er sie zu fest gedrückt hat.
»Richtige Cowboys gehen mit ihren Pistolen zärtlich um«, hat Mama gesagt und auf einen Blumentopf gezielt, den sie von Papa
zum letzten Hochzeitstag bekommen hatte. Lino hat dann alle Pistolen aufgegessen und mit dem fiesen Grinsen angefangen. Aber
Mama konnte nicht nur besser mit Bananencolts umgehen, sie konnte auch am fiesesten grinsen.
»Okay«, sagt Lino. »Ich krieg auch so raus, was Malle von dir wollte.« Er wirft seinem Beulenkumpel einen wichtigen Blick
zu.
Ella lässt die Jungs einfach stehen und geht aufs Klo, holt den Zettel aus der Tasche und liest:
Hallo Leute! Wer hat Lust, richtig coolen Fußball zu spielen? Wir stellen eine echte Schulmannschaft auf, mit Jungs und Mädchen,
ein »mixed team«. Ihr müsst älter als neun sein und jünger als zwölf. Auch Südtiger sind willkommen!
Bitte meldet euch bei Marvin Winter (Klasse 5 a) oder Herrn Kübel, unserem Sportlehrer. Alles Weitere erzählen wir euch am
Mittwoch, 16 Uhr in der Turnhalle. Bitte Sportzeug mitbringen!
Ella zieht einen Stift aus der Hosentasche und schreibt »Jipiiiih!« quer über die Toilettentür.
Am Mittwochmorgen ist Ella schon lange vor dem Wecker wach. Sie springt aus dem Bett und geht im Schlafanzug in die Küche.
Papa sitzt am Tisch und liest Zeitung. Er hat seine Krawatte über die Schulter gelegt, damit sie ihm nicht auf den Marmeladentoast
fällt.
»Hallo Schnecke, so früh schon munter?« Ella gibt Papa einen Kuss. Er hat frühmorgens ganz weiche Wangen. Abends kommt er
kratzig nach Hause.
»Geht es dir gut?«, fragt er hinter der Zeitung hervor.
»Ja. Ich spiel jetzt Fußball, in einer richtigen Schülermannschaft«, sagt Ella und sprudelt nur so los.
Papa faltet die Zeitung zusammen. Er schaut auf die blauen Flecke an ihren Handgelenken. »Was ist denn das?«
»Lino«, sagt Ella. »Wer sonst?«
»Und wieso?«
Ella zuckt die Schultern. »Du weißt doch, seitdem er seinen besten Spieler verloren hat, ist er
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