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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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wir nicht auf. Als wir in den Bus stiegen, bemerkte ich im Gedränge ein paar Wächter, aber wahrscheinlich hielten sie vor allem nach Orion Ausschau. Nach dem Einzigen, für den es nur die Flucht nach vorne gab. Während wir durch die Straßen fuhren, überkam mich ein merkwürdiges irreales Gefühl, als sei dies ein Film und nicht die Wirklichkeit. Seltsamerweise hatte ich das in meiner Wolke nie verspürt. Da hatte ich nie Zweifel an der Realität gehabt.

16.
    In einer Welt, in der es keine Einbrecher gibt, ist es nicht schwer, in eine Wohnung zu gelangen. Da unser Klassenkamerad im zehnten Stock eines mintgrünen Wohnblocks zu Hause war und es daher nicht in Frage kam, über den Balkon zu klettern, gingen wir vorne rein. Wir grüßten den Portier, der fröhlich zurückwinkte. Er erkundigte sich danach, wen wir besuchen wollten, und Lucky nannte irgendeinen Namen, der vorne auf dem Klingelschild gestanden hatte.
    »Siebter Stock, zweite Tür links.« Der Portier zeigte uns sogar den Weg zum Fahrstuhl.
    Wir fuhren in den siebten Stock und gingen den Rest zu Fuß. Dann warteten wir im Treppenhaus darauf, dass Orion und Moon zu uns stießen, und mir fiel ein Stein vom Herzen, als sie endlich erschienen. Moon fiel Lucky um den Hals, und während wir nach Jupiter Ausschau hielten, saßen die beiden händchenhaltend auf einer Stufe. Moon schmiegte sich zärtlich an ihn, ohne seine versteinerte Miene zu bemerken und den wilden, zornigen Ausdruck in seinen Augen.
    Meine Kehle wurde trocken.
    »Pi«, flüsterte er und löste sich von ihr.
    Es gab keine Eifersucht in Neustadt, und seine tausend Kussabenteuer hatten Moon nie gestört. Auch als er mein Gesicht in seine Hände nahm und sich zu mir vorbeugte, protestierte sie nicht, und bevor Luckys glänzende braune Augen die ganze Welt um mich herum auslöschten, sah ich als Letztes Moons versonnenes Lächeln.
    Jupiters käsiges Gesicht flammte auf, als er uns vor seiner Wohnungstür entdeckte. Voller Ehrfurcht blickte er an Orions Riesengestalt empor.
    »Ihr habt den ganzen Schultag verpasst«, informierte er uns. »Das hättet ihr erleben sollen, wir hatten super viel Spaß in Chemie!«
    Wir drängten uns an ihm vorbei in die Wohnung.
    »Wann kommen deine Eltern nach Hause?«
    »Die sehe ich in letzter Zeit kaum, die haben Nachtschicht. Wollen wir wieder Theater spielen? Romeo ist meine Lieblingsrolle, aber ich kann auch wieder das Unfallopfer sein.«
    »Heute darfst du dich selbst spielen.« Moon sah sich um. Mit ihrer großzügigen Etage zur eigenen Verfügung hatte Jupiters Bude nichts gemein; sie hätte sie nicht mal als Abstellkammer benutzt. Doch wie immer blieb sie unverändert freundlich. Das war das Tolle an Moon. Sie gab jedem das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, sogar Jupiter.
    »Dein Onkel«, sagte Lucky. »Du weißt schon, der, den du immer erwähnst, wenn du angeben willst …«
    Wir hätten uns aufs Sofa gesetzt, wenn es eins gegeben hätte, doch da dies nicht der Fall war, nahmen wir einvernehmlich auf seinem Bett Platz.
    »Mein Onkel ist der beste Onkel, den es gibt«, schwärmte Jupiter. »Wir könnten ihn besuchen und uns seine Sammlungen ansehen, wir …«
    Lucky bremste seinen Redeschwall. »Das Fernsehen ist dabei, wenn die Kriminellen die Stadt verlassen, oder? Wir müssen vorher wissen, an welchem Tor das stattfindet. Und wann genau. Und überhaupt, wenn wir erfahren könnten, wie es abläuft, wären wir komplett zufrieden.«
    Moon warf ihm einen Blick zu, der den armen Jupiter fast aus den Socken kippen ließ. »Das ist so lieb von dir«, sagte sie zu ihm, und seine Ohren röteten sich. Sogar Lucky wirkte leicht verstört, schließlich war er es gewöhnt, das Ziel von Moons Aufmerksamkeit zu sein.
    »Lieber Jupiterschatz. Es ist ganz leicht für dich, das alles rauszufinden, stimmt’s?«
    Er sonnte sich in ihrem Lächeln. »Klar«, sagte er. »Alles kein Problem. Ich geh kurz rüber ins Wohnzimmer und klingel ihn an.«
    Wir warteten.
    Moon machte den Fernseher lauter. Ich sah gar nicht hin. In die Kissen gelehnt spürte ich meinem hämmernden Herzen nach. Der Fernseher plärrte vor sich hin, die wechselnden Bilder warfen blauweiße Lichter auf die bunt bedruckte Bettdecke. Ich überlegte gerade, ob ich nicht unauffällig näher an Lucky heranrücken könnte, als Moon einen kleinen Schrei ausstieß.
    »He!«, rief sie. »Den kennen wir doch!«
    Der Mann auf dem Bildschirm sprach mit ernster, ruhiger Stimme. Er war um die vierzig und hatte

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