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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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stechende hellblaue Augen. Mit dem Bart wirkte er nicht so glatt wie die Politiker, die man sonst im Fernsehen sah. Nicht so wie dieser Dr. Mozart beispielsweise.
    »Wart Stiller«, las ich den eingeblendeten Namen.
    »Es ist eine Art Stadtrallye«, sagte er gerade, »damit die Schulen sich für die gemeinsamen Sportspiele qualifizieren können.«
    »Aber wie es scheint, wurde die Schülerschaft nicht darüber informiert?«, fragte der Moderator.
    »Nein, wir wollten Enttäuschung vermeiden, weil wir von jeder Schule nur fünf Schüler ausgewählt haben und dabei nach dem Zufallsprinzip vorgegangen sind.« Herr Stiller lächelte in die Kamera. Er schien seine stahlblauen Augen direkt auf mich zu richten. »Die meisten Schüler haben die Rallye bereits beendet und sind wieder nach Hause zurückgekehrt. Den Letzten, das sind die Schüler der Theodor-Frühlingswetter-Schule aus dem vierten Bezirk, möchte ich Folgendes sagen.« Neben mir richtete Lucky sich angespannt auf. »Das Spiel ist aus, es gibt keine Punkte mehr zu gewinnen. Gehen Sie nach Hause, damit wir die Auswertung vornehmen können.«
    Der Moderator murmelte etwas im Hintergrund, aber Stiller beachtete ihn nicht. »Orion Sommer«, sagte er. »Lucky Salomo. Moon Sternwald. Star Lichtl. Peas Friedrichs. Ich sage es mit aller Deutlichkeit: Kommen Sie zurück. Jetzt. Niemand wird Ihnen Vorwürfe machen. Wir werden das Ganze zur Zufriedenheit aller regeln.« Dann schwenkte die Kamera von ihm fort, und Lucky stellte den Fernsehapparat auf stumm.
    »Keine Schüsse mehr? Keine Verbannung?« Orions Stimme war eisig. »Wie kommt es, dass ihr überhaupt nicht überrascht seid?«
    Lucky und ich tauschten einen schuldbewussten Blick.
    Ich seufzte. Und er übernahm es, von dem Gespräch zwischen Gandhi und Stiller zu berichten, das wir belauscht hatten.
    »Sie versuchen es offenbar als Spiel hinzustellen«, meinte Orion nachdenklich. »Weil man uns vermisst hat. Jetzt werden unsere Eltern und Lehrer denken, es sei alles in Ordnung. Wollt ihr immer noch weg?«
    »Natürlich«, sagte Lucky. »Wir gehen zusammen.«
    »Da ist doch noch mehr.« Orion musterte uns, und schließlich blieb sein Blick an mir hängen.
    War es so offensichtlich, dass ich am meisten Angst hatte? »Gandhi wollte Straffreiheit für uns alle, aber dieser Kerl wollte sich nicht darauf einlassen – nicht für jeden von uns.«
    »Das heißt, wir können nicht zurück?«, fragte Moon. »Wart Stiller hat gelogen?«
    »Doch, wir könnten zurück«, sagte Lucky. »Wenn wir es denn wollten. Ich denke nicht einmal eine Sekunde darüber nach.«
    »Aber ich nicht, stimmt’s?« Orions Lächeln hatte etwas Tiefgründiges.
    Ich nickte. »Du nicht, nein.«
    »Wenn ihr euch stellen wollt – nur zu«, sagte Orion. »Ich bin gewiss nicht gekränkt, wenn ihr euch dafür entscheidet.«
    »Wir sollten Stillers Angebot annehmen«, sagte Moon nach einer Weile. »Wenn wir zurückkehren und ihr eure Glücksgaben erhaltet … und alle glauben, es war wegen dieser Rallye … Vielleicht kommen wir ohne Schwierigkeiten aus der Sache heraus. Lucky?«
    »Nein«, sagte er fest. »Ich geh nicht zurück. Aber niemand zwingt dich, mit uns mitzukommen.«
    »Star? Du willst doch bestimmt zurück zu deinen Eltern.«
    »Nein«, sagte Star schroff.
    »Pi? Pi, du bist meine beste Freundin. Wir gehen zurück, ja? Wir lassen uns nicht trennen. Wir bleiben zusammen.«
    Ich schüttelte den Kopf. In meiner Brust war etwas, das brannte, und es hatte damit zu tun, dass Lucky neben mir saß und seine Hand auf meinen Oberschenkel gelegt hatte.
    Ein Schatten flog über Moons schönes Gesicht, was eine Täuschung sein musste, denn sie hatte nie schlechte Laune. Doch bevor ich sie fragen konnte, was los war, kehrte Jupiter endlich zurück. Seinem Grinsen war gleich anzusehen, dass er Erfolg gehabt hatte.
    »Also erzähl«, meinte Moon, so unvermindert fröhlich wie immer. »Was hat er gesagt? Wie hast du es angestellt?«
    Jupiter strahlte vor Glück. »Ich bin nicht gleich mit der Tür ins Haus gefallen. Hab erst von der Schule erzählt und von unserem Theaterstück, und dass Moon und ich darin sterben, und da ging es um Leidenschaft und Tod und Verbrechen, und schon waren wir bei der Entlassung der unerwünschten Elemente.« Er kicherte leise und kostete den Augenblick aus.
    »Und?«, fragte Lucky schließlich.
    »Am Westtor. Heute Nacht.«
    Ich dachte an das Flutlicht an der Grenze, an Wächter, an lange, schwarze Schatten zwischen den Waggons. Gab

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