Wild und gefaehrlich
schläft ja immer noch!«
Arschloch , fluchte Brandon in sein Kissen. Wenn ein menschliches Wesen, das ein normales Maß an Rücksicht besaß, ein Zimmer betrat und feststellte, dass die Vorhänge zugezogen waren, dass aus der Hammacher Schlemmer Sound Oasis »Summer Night« ertönte, dass sein Mitbewohner unter der Decke lag, dann musste es sich doch sagen: Ich sollte vielleicht nicht wie ein Nilpferd herumtrampeln. Aber von Heath war das offensichtlich zu viel verlangt.
»Verpiss dich, Ferro«, knurrte Brandon und hob den Kopf so weit vom Kissen, dass er ihn mit einem vernichtenden Blick bedenken konnte. Das Problem mit Heath – beziehungsweise, ein Problem – war, dass er viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt war, um einen Scheiß darauf zu geben, ob sein Mitbewohner schlief oder lernte oder sich gerade in Selbstmitleid suhlte. Heath kannte nur eine Lautstärke: laut.
»Musst du nicht zum Training, Mann?« Heath knipste das Licht an und die dunkle Höhle wurde von Neonlicht erfüllt. Brandon zog sich die Decke über das Gesicht.
Training. Doch, eigentlich musste er zum Training. Und da er Kapitän des Squash-Teams der Elften war, sollte er wohl den Hintern hochkriegen und sich dort blicken lassen. Aber der Gedanke, zusammen mit einem anderen verschwitzten Kerl einen blöden Gummiball in einem Fünfmal-fünf-Meter-Court herumzuballern – das hielt er heute einfach nicht aus. Brandon hatte die letzte Unterrichtsstunde des Tages geschwänzt, was ganz untypisch für ihn war. Das graue Regenwetter deprimierte ihn. Er wollte nichts, als es sich in seinem bequemen Bett gemütlich machen, ein ausgiebiges Schläfchen halten und am liebsten nie mehr aufwachen.
Das war vielleicht ein bisschen krankhaft, schon möglich. Aber seit der Boston-Ritz-Party am vorletzten Wochenende, als ihn Callie vor versammelter Mannschaft so erniedrigt hatte, war er nicht mehr er selbst. Sie hatte ihm doch tatsächlich vor aller Ohren geraten, abzuhauen und Schwulenpornos anzusehen. Okay, er hatte sie vielleicht ein bisschen zu sehr zu bevormunden versucht – aber Callie hatte sich ja auch total zum Gespött gemacht, wie sie da auf den Tisch gesprungen war und sich im betrunkenen Zustand die Kleider vom Leib gerissen hatte, nur um es Tinsley gleichzutun. Brandon wurde immer ganz schlecht, wenn er daran dachte, wie wenig Selbstachtung Callie an den Tag legte. Sie betete Tinsley geradezu an, die Brandons Meinung nach gewaltig was an der Klatsche hatte. Und es brachte ihn fast um, wenn er sah, wie hirnlos Callie sie zu kopieren versuchte. Er hatte sie im Ritz doch nur gebeten, mit ihm auf sein Zimmer zu kommen und in Ruhe zu reden. Oder vielleicht ein bisschen mehr zu machen, als nur zu reden. Aber Callie hatte ihn verhöhnt und ihn angeschrien, er solle abhauen.
Nun, wenn sie es so haben wollte, bitte sehr. Er hatte es satt, sich ständig mit ihr zu befassen. Abgesehen davon war sie über Easy Walsh, diesen Möchtegern-Künstler, anscheinend immer noch nicht weg. Ja, Brandon hatte es sehr wohl mitbekommen: Der wahre Grund, warum Callie auf den Tisch gesprungen und ihren kleinen Striptease hingelegt hatte, war doch, dass sie bemerkt hatte, wie Easy bewundernd Tinsley Körper gemustert hatte. Und das hatte sie schier um den Verstand gebracht. Brandon fand beide widerlich, Tinsley und Easy. Und Callie vergötterte sie natürlich beide. Er wollte nicht länger darauf warten, dass sie feststellte, an welche seelenlosen Schleimscheißer sie ihr Herz hängte, und zu ihm zurückgelaufen kam.
Wenn er nur etwas Vernünftigeres zu tun hätte …
Brandon warf seine federleichte Decke zurück und stellte die Füße auf den kühlen Parkettboden. Er hatte sich schon fürs Training umgezogen und trug seine dunkelblaue Adidas-Hose mit den orangefarbenen Streifen an der Seite und ein weißes Sweaty von Lacoste, von dem er Dutzende besaß. Die zog er am liebsten zum Training an. Aber sobald eines verfärbte Schwitzflecken unter den Achseln hatte, warf er es fort. »Mach dir nicht in den Schlüpfer, Ferro. Ich hab nur ein Nickerchen gemacht.«
»Du hast in demselben Satz ›Schlüpfer‹ und ›Nickerchen‹ gesagt!« Heath schüttete sich aus vor Lachen, während er sein durchnässtes Diesel-T-Shirt mit der Aufschrift IN MORAL PANIC auszog, es zusammenknüllte und nach Brandons Kopf warf. Es verfehlte sein Ziel und landete mit einem feuchten Klatsch auf Brandons Schreibtisch. Charmant. Es war schwer vorstellbar, dass Heath in Sachen Moral jemals in
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