Wild und gefaehrlich
Panik geriet – er hatte nämlich keine.
Brandon ging hinüber zu seiner Kommode, wobei er es seufzend vermied, in Heaths schmutzige Fußabdrücke zu treten, und entnahm aus einer Schublade ein Paar säuberlich aufgerollte weiße Adidas-Sportsocken. Er wollte Heath gerade eine bissige Antwort geben, als er durch sein schwarzes Treo-Handy, das auf seinem Nachttisch lag und bimmelte, bis auf Weiteres davon abgehalten wurde.
Callie? Brandon klappte es auf. Es war die Nummer seines Vaters. Er unterdrückte ein Stöhnen und antwortete. »Guten Tag, Vater.«
»Du klingst verschlafen.« In der Stimme von Mr Buchanan schwang ein kleiner Vorwurf. »Hoffentlich habe ich dich nicht geweckt. Aber wieso du mitten an einem Schultag ein Nickerchen machst, ist mir schleierhaft.«
Na super. Er klang ja noch mehr passiv-aggressiv als sonst. Musste wohl an seiner knapp fünfundzwanzig Jahre alten geldgierigen Hexe von Frau liegen, die auf ihn abfärbte. »Ich hab mich gerade fürs Training fertig gemacht. Ist was passiert?« Mr Buchanan war ein resignierter Mann, der älter wirkte, als er war. Brandon schätzte, das kam daher, dass er noch mal in den Ring gestiegen war, eine neue Familie zu gründen, obwohl er schon ein ältlicher Anwalt war. Brandons ungezogene Halbbrüder, die Zwillinge Zachary und Luke, waren noch unausstehlicher als Tom Cruise auf Speed. Kein Wunder, dass sein Alter ständig im Büro war.
Mr Buchanan überging die Frage seines Sohnes oder hatte sie nicht gehört. »Ich bin am Freitag zu einem Essen mit Dekan Marymount verabredet. Ich möchte, dass du auch kommst. Bring Callie mit.«
Dekan Marymount? Callie? Wovon zum Teufel redete sein Vater? »Du kommst... her?«, fragte Brandon verwirrt.
Mr Buchanan seufzte und Brandon konnte im Hintergrund Eisenbahngeräusche hören. Er war anscheinend in seinem Pendlerzug von der City unterwegs nach Greenwich. »Brandon, ich hoffe, du passt in den Schulstunden besser auf, als du aufpasst, wenn dir dein Vater etwas sagt. Ich habe das ganze Wochenende in Waverly Treuhändersitzungen. Das hab ich dir schon vor Monaten gesagt.«
»Treuhänder-Wochenende«, wiederholte Brandon. »Tut mir leid, ist mir entfallen«, setzte er hinzu, obwohl er ganz sicher war, dass sein Vater nie etwas davon gesagt hatte. Immer besser, selbst die Schuld auf sich zu nehmen, als zu erwarten, dass sein Vater einen Fehler zugab. Aber verdammt – ein Essen mit Dekan Marymount? Hatte er eine solche Strafe tatsächlich verdient? Und Callie? Er war wohl nicht der Einzige mit einem schlechten Gedächtnis. »Äh... du hast anscheinend vergessen, dass ich und Callie Schluss gemacht haben? Ungefähr vor einem Jahr?«
»Du erzählst mir ja nie was«, grummelte Mr Buchanan nach einer Pause. »Na gut. Bring eine andere mit. Ich will nicht, dass wir nur zu dritt sind. Das wäre irgendwie … langweilig, findest du nicht auch?«
Ach was.
»Ja, in Ordnung. Ich bring jemanden mit.« Eltern waren so abartig. »Hör mal, Dad, ich muss ins Training.«
»Also gut, ich hoffe, du gewinnst. Reservier einen Tisch auf acht – bei dem Franzosen.« Mr Buchanan legte auf, ehe Brandon wiederholen konnte, dass es sich um eine Trainingsstunde handelte, nicht um ein Match. Beim Training gewinnt man nicht.
»Hast du tatsächlich die magischen Worte gesagt?«, fragte Heath, sobald Brandon sein Handy in die schwarze Squash-Tasche aus Nylon geworfen hatte. Heath grinste wie ein Fünfjähriger, der gerade die Glocke vom Eiswagen gehört hatte.
»Hä?«
» Treuhänder-Wochenende «, wiederholte Heath, und der selige Ausdruck breitete sich über sein ganzes Gesicht aus. Er hatte sich immer noch kein Hemd angezogen und stand mit nichts anderem als roten Nike-Fußballshorts, die lauter Grasflecken hatten, mitten im Zimmer. »Du weißt doch, was das bedeutet.«
»Ja. Ein Haufen überheblicher reicher Tatties kommt in die Stadt, und die zwingen ihre armen, überarbeiteten Söhne, mit dem Scheiß-Dekan an Froschschenkel im Le Petit Coq zu knabbern. Es bedeutet die Hölle.«
»Nein, du Schwachkopf«, unterbrach ihn Heath. Er langte nach seinem Fußball und ließ ihn geschickt auf den Schenkeln hüpfen. »Es bedeutet, dass ein Haufen überheblicher, reicher Tatties in die Stadt kommt, und alle Offiziellen überschlagen sich so damit, sie zu bespaßen, dass sie nicht mal merken, was ihre verdammten neunmalklugen Schüler anstellen. Und das« – Heath grinste – »bedeutet Paaar-tyyy!« Er unterstrich seine Worte, indem er den
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