Wilde Pferde in Gefahr
fuhren. »Aber ich glaube, er kann wirklich nichts für uns tun. Er ist Beamter, er muss streng nach dem Gesetz handeln. Im Grunde tut er nur seine Pflicht.«
»Das ist es ja gerade!«, schimpfte Annie. »Jeder tutnur seine Pflicht. Wer in diesem Land etwas verändern will, muss eben etwas mehr als seine Pflicht tun!«
»Die Kinder, die uns geschrieben haben, tun was.«
»Ich weiß«, erwiderte Annie schon wieder etwas ruhiger, »uns helfen mehr Menschen, als ich zu hoffen gewagt habe. Aber alle paar Wochen muss ich mal aus der Haut fahren, sonst stehe ich die Sache nicht durch. Sture Beamte wie dieser machen mich verrückt. Warum stehen die nicht mal auf und sagen ihren Vorgesetzten die Meinung? Haben die denn so viel Angst?«
Die Aufzugstüren öffneten sich. Sie durchquerten die Eingangshalle und kehrten zu ihrem Wagen zurück, blickten einander über das Dach des Fahrerhauses an.
»Wie wär’s mit einem Hamburger?«, fragte Annie. »Ich kenne ein Drive-in, da gibt’s die besten Hamburger der Welt. Eine Cola wär auch nicht schlecht.«
»Klingt gut«, war Peggy sofort begeistert.
Die Hamburger schmeckten tatsächlich gut, waren mit reichlich Zwiebeln, Tomaten und Gurken belegt, und Ketchup und Senf quollen zwischen den angewärmten Brötchenhälften hervor. Hübsche Mädchen in knappen Uniformen bedienten auf Rollschuhen und hakten die Tabletts mit dem Essen in die offenen Wagenfenster. Aus den Lautsprechern an den Säulen drang lauter Rock ’n’ Roll.
Als Peggy von ihrer Cola trank und aus reiner Neugierde in den Rückspiegel blickte, sah sie einen rostigen Pick-up in das Drive-in fahren. Nur für wenigeSekunden war der Wagen zu sehen, dann verschwand er hinter dem chromblitzenden Thunderbird, der neben ihnen parkte, und fuhr an einen der freien Schalter heran.
Peggy verschluckte sich beinahe.
»Nicht so hastig«, ermahnte Annie sie lächelnd, »wir haben Zeit.«
»Buddy … ich glaube, das war Buddy Miller!«
»Der Mustangjäger? Wo?«
»Drei oder vier Schalter weiter«, vermutete Peggy. »Ich hab seinen Pick-up im Rückspiegel gesehen … das glaub ich jedenfalls.«
»Du irrst dich bestimmt. Soweit ich weiß, sind Buddy Miller und Ron Baxter auf der Ranch von James Rockwell untergekrochen, und die liegt von Reno noch weiter entfernt als unsere Ranch. Weiter als bis nach Wadsworth fahren die selten. Da gibt’s einen Laden, einen Friseur und die Bar … na, die hast du ja gesehen.«
»Es sei denn, er beschattet uns.«
»Wie in einem Krimi, meinst du? Aber warum? Dass ich alles tue, um das neue Gesetz durchzubringen, wissen sie doch. Warum sollten die uns nachfahren?«
»Lass uns lieber verschwinden! Ich hab ein ungutes Gefühl.«
Sie warteten, bis die Bedienung die Tabletts geholt hatte, und fuhren auf die Straße zurück. Der Hamburger lag Peggy plötzlich schwer im Magen. Alle paar Sekunden wanderte ihr Blick zum Rückspiegel, stetsdarauf gefasst, den rostigen Pick-up der Mustangjäger auftauchen zu sehen. Doch außer dem chromblitzenden Thunderbird, der nach ihnen das Drive-in verlassen hatte, war niemand zu sehen.
Als sie den Stadtrand erreichten und dem Highway in die Painted Rocks folgten, zuckten die ersten Blitze vom Himmel. Donner rollte über die bunten Felsen. So ungestüm, wie es nur über den weiten Ebenen des Westens möglich war, entluden sich die dunklen Wolken, die schon seit dem frühen Morgen am Himmel hingen, und heftiger Regen prasselte auf das Land herab. Heftig wie Hagelkörner schlugen die schweren Regentropfen auf die Windschutzscheibe des Pick-ups.
Peggy schaltete die Scheibenwischer ein und ging mit dem Tempo herunter. Weit über das Lenkrad gebeugt wie eine Anfängerin, die ihren ersten Wagen steuert, fuhr sie durch den heftigen Regen. Sie erlebte ein solches Unwetter nicht zum ersten Mal, darauf musste man in Nevada ständig gefasst sein, und doch fürchtete sie sich, vielleicht weil sie schon ahnte, dass sie sich im Drive-in nicht getäuscht hatte und eine andere Gefahr viel größer war.
Die beiden Scheinwerfer tauchten plötzlich in ihrem Rückspiegel auf und kamen so rasch und unerbittlich näher, dass ihr keine Zeit mehr blieb, den Wagen zu beschleunigen, um dem Verfolger zu entkommen. Hilflos erlebte sie, wie die dunklen Umrisse eines Pick-ups den Spiegel ausfüllten, die Scheinwerfer so nahe waren,dass nur noch ein greller Lichtfleck zu sehen war, und gleich darauf ein heftiger Schlag das Heck ihres Wagens traf, dann noch einer und noch einer, bevor
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