Wilde Pferde in Gefahr
…«
»Ich will nach Hause«, wandte sich Cherry an ihre Mutter.
»Wer wird denn die Flinte gleich ins Korn werfen«, mischte sich Annie ein. »Erstens schlaft ihr in einem gemütlichen Blockhaus und nicht auf dem Boden, zweitens reiten Cowboys nicht komisch, sondern sehr bequem, wie ihr schon gleich feststellen werdet, und drittens ist dieses Land abwechslungsreicher, als es auf den ersten Blick aussieht. Es wird euch gefallen, das verspreche ich euch. Also bringt eure Sachen schon malins Blockhaus, die zweite Hütte von links, und zieht euch die Reitsachen an.«
Der energischen Annie wagte selbst John nicht zu widersprechen. Er zog lediglich die Augenbrauen hoch, nahm seine Tasche und verschwand. Cherry folgte ihm brav.
»Achten Sie bitte darauf, dass John und Cherry pünktlich zu essen bekommen«, sagte der Vater zu Charlie. Eine Frau als Geschäftspartnerin war er wohl nicht gewohnt. »Unsere Kinder brauchen einen regelmäßigen Tagesablauf. Ich kann mich darauf verlassen?« Und ohne eine Antwort abzuwarten: »Rufen Sie an, falls es Probleme gibt.« Er reichte ihm seine Visitenkarte. »Sie haben doch Telefon?«
Charlie nahm die Karte. »Sonst gebe ich Rauchzeichen.«
Der Vater überhörte den Scherz und gab seiner Frau durch ein Kopfnicken zu verstehen, dass es an der Zeit war, zu gehen. »Bis Sonntagabend, Mister Johnston. Ma’am, Miss …« Er hielt seiner Frau die Tür auf, stieg selbst ein und fuhr davon. Der Motor des Cadillacs war so leise, dass man nur ein Summen hörte.
»Schnösel!«, murmelte Charlie.
»Kundschaft«, verbesserte Annie ihn leise. »Ohne das Geld solcher Leute könnten wir nicht überleben. Also, zeig den Kindern gefälligst, wie die Cowboys in dieser Einöde im Sattel sitzen. Und denk daran: Um Punkt halb eins gibt es Essen.«
»Aye, Ma’am«, antwortete er grinsend.
»Und nun macht, dass ihr auf die Koppel kommt! Ich schreibe inzwischen ein paar Briefe an Schulen in Texas. Die Adressen hab ich von einer Freundin in Waco. Ich wusste gar nicht, dass es so viele Highschools gibt.« Sie ging zum Haus, öffnete das Fliegengitter und drehte sich noch mal um. »Donna kommt später nach. Sie will mir beim Briefeschreiben helfen. Sie klebt die Briefmarken drauf.«
Peggy winkte zum Haus hinüber und kümmerte sich erst mal um die Kinder. In der Zeitungsanzeige der Double-Lazy-Heart-Ranch stand, dass jedes Kind »widerstandsfähige Kleidung und Westernstiefel zum Reiten« mitbringen sollte, und so waren Toby und Susan auch angezogen. Ihre Stiefel waren schon etwas abgenutzt, ein gutes Zeichen, denn in eingelaufenen Stiefeln ritt man wesentlich besser.
»Ich schließe die Tür ab!«, drängelte sich Toby vor.
»Nein ich!«, widersprach Susan und wollte ihm den Schlüssel wegnehmen.
»Hier draußen schließen wir überhaupt nicht ab«, erstickte Peggy den Streit im Keim. »Bring den Schlüssel in die Hütte, Toby, und leg ihn auf die Kommode.«
Beim Anblick von John und Cherry konnte sich Peggy ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. In ihrer bunten Kleidung mit den weißen Fransen schienen sie einer Westernrevue am Broadway entsprungen zu sein. Fehlte nur noch die Gitarre. Ihre Stiefel warennagelneu und blitzblank. »Gehen wir«, schlug John vor.
Auf der Koppel fing Charlie den Hengst seiner Frau ein, ein mausgraues und eher unscheinbares Tier, das seine beste Zeit schon hinter sich hatte. »Das ist Hobo«, stellte er das Pferd den Kindern vor. »Er hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel, aber täuscht euch nicht. Wenn ihm was nicht passt, kann er noch immer sehr ungemütlich werden. Stimmt’s, mein Freund?« Er tätschelte Hobo den schlanken Hals und nickte zufrieden, als der Hengst schnaubte. »Denkt immer daran: Ein Pferd ist ein lebendiges Wesen und kein Spielzeug, das man benutzt und dann wieder in die Ecke stellt. Also seid gut zu euren Pferden. Zeigt ihnen, dass ihr sie mögt, und streichelt sie ein bisschen, dann sind sie auch freundlich zu euch. Wer ein Pferd schlecht behandelt, ist auch Menschen gegenüber schlecht.«
»Das hab ich alles schon mal irgendwo gelesen«, sagte John. Er wirkte sichtlich gelangweilt. »Wann reiten wir denn endlich? Deswegen sind wir doch hier.«
»Immer schön der Reihe nach«, zeigte sich Charlie geduldig. »Wie verhält man sich denn am besten, wenn man sich einem Pferd nähert und darauf reiten will? John, wenn du so gut Bescheid weißt, kannst du es den anderen sicher erklären.«
»Man darf keine Angst vor ihm haben«, antwortete der
Weitere Kostenlose Bücher