Wilde Rosen: Roman (German Edition)
sicher nicht damit anfangen wollte. Dafür war ihr Agent da. »Geben Sie mir was zu schreiben.«
»Wir müssen verrückt sein«, murmelte May und nahm den Stift, den Sally an sie weiterreichte.
»Ich auf jeden Fall«, sagte Harriet so leise, daß niemand es hörte.
»Der Mann ist ein widerlicher Schleimer!« May hatte die Faust um ein Stück Papier geschlossen, das die Adresse ihres ersten Einsatzortes enthielt. Morgen sollten sie dort anfangen.
Sie standen auf den Eingangsstufen des Gebäudes um Harriets Gepäck herum, nachdem sie ihre Verträge unterzeichnet und ein paar ermunternde Worte ihres neuen Arbeitgebers – ›Nennt-mich-Keith‹ Slater – gehört hatten, eine klassische Nummer von wegen Ich-bin-ein-erfolgreicher-Geschäftsmann-und-auch-ihr-könnt-reich-und-mächtig-werden.
»Wenn wir zusammen arbeiten sollen, dann sollten wir uns besser kennenlernen«, fuhr May fort und wandte sich an Harriet. »Ich heiße May Sargent.«
»Harriet Devonshire.«
»Meinen Namen kennt ihr ja schon«, sagte Sally. »Und wenn ich nicht bald eine Toilette finde, kann ich keine Verantwortung übernehmen für das, was passiert.«
»Laßt uns ein Café suchen – mit einer Toilette – eine Tasse Kaffee trinken und uns ein bißchen erholen. Dann können wir auch überlegen, wo wir uns am besten morgen früh treffen«, schlug May vor.
Sally war einverstanden. »Gute Idee. Ich kenne ein Café gleich da vorn um die Ecke. Kommt mit – und beeilt euch!«
Die Büros von Quality Cleaners lagen im Dachgeschoß eines sehr gediegenen Hauses am Shepherd Market. Sally führte sie aus der feinen Gegend um ein paar Ecken, bis das Ambiente der Umgebung weit genug gesunken war, um ein Selbstbedienungscafé zuzulassen.
Sie holten ihren Kaffee an der Theke und setzten sich an einen Tisch, auf dem sich kein schmutziges Geschirr stapelte.
»Tut mir leid«, sagte Sally, als sie vom Waschraum zurückkam. »Der Laden ist ein bißchen runtergekommen, seit ich zuletzt hier war.«
»Dafür ist es sehr billig«, entgegnete May. »Und ich kann es mir nicht erlauben, wählerisch zu sein. Apropos wählerisch. Warum hat Keith sich wohl für uns entschieden, statt die Profis zu nehmen? Ich meine, ich sehe doch wohl kaum wie ein Quality Cleaner aus.«
Sally nahm einen Schluck von ihrem schwarzen Kaffee. »Warte nur, bis du deinen Overall in Fuchsienrosa anhast.«
»Ganz zu schweigen von der passenden Baseballkappe, mit dem in geschmackvollen Goldbuchstaben eingestickten Firmennamen darauf«, fügte Harriet hinzu. Sie schien den Umgang mit gleichaltrigen Frauen nicht gewöhnt zu sein und versuchte die lockere, freundliche Art der beiden anderen zu übernehmen.
May zog eine Grimasse. »Igitt! Von Overalls und Baseballkappen hat er mir nichts gesagt. Nur daß ich eine Uniform bekäme und es daher gleich sei, daß ich abgerissen aussehe. Aber trotzdem«, beharrte sie. »Er hat mir nicht eine einzige fachbezogene Frage gestellt, etwa wie man Lamellenrollos saubermacht oder irgendwas in der Richtung.«
»Bei mir war’s genauso«, sagte Sally. »Dabei hatte ich vor, ihm den Text aus dem Scheuermilch-Werbespot aufzusagen, den ich mal gemacht hab’. Aber er hat mir gar keine Chance gegeben.«
»Und ich bin absolut hoffnungslos, was das Putzen angeht«, gestand May. »Irgendwie nehme ich den Dreck einfach nicht wahr, das behauptet meine Mutter jedenfalls immer. Ich hab’ ihm gesagt, ich könnte keine Blumenarrangements oder so was machen.«
Sally war entsetzt. »Blumenarrangements? Ich steck’ die Dinger in eine Vase und warte, bis sie verwelkt sind.«
Harriet lächelte scheu. »Also, ich bin ziemlich gut im Arrangieren von Blumen und sonstiger Hausarbeit. Putzen. Das habe ich gemacht, seit ich zwölf war. Ich geb’ euch gern ein paar Tips.«
»Was ich brauche, sind keine Tips«, verkündete May, »sondern ein Grundkurs. Er muß verrückt sein, so eine wie mich zu nehmen, wo der ganze Warteraum voller Profis saß.«
»Wir sind eben jung und enthusiastisch«, zitierte Sally die Stellenannonce.
»Und wir sprechen Queens English«, ergänzte Harriet.
»Was?« fragte May entsetzt.
»Wirklich?« sagte Sally.
Harriet ordnete Zuckerstreuer, Ketchup- und Essigflasche zu einem ordentlichen Dreieck an. »Hat er euch nicht erzählt, daß er die gehobene Kundschaft anvisiert? Ich hatte den Eindruck, wenn ein potentieller Kunde keine Verwandtschaft mit der Royal Family vorweisen kann, schickt er ihm keine Putzfrau. Er hat uns genommen, weil wir
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