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Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Titel: Wilde Rosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Fforde
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waren, mit einer Rundung in verschiedenen Farben unter jedem Buchstaben. Das Boot wirkte sauber und gepflegt, und ein anheimelnder Rauchkringel stieg aus dem schwarzen, mit Messing abgesetzten Schornstein.
    Harriets gedrückte Stimmung hob sich. Sie hatte gelernt, nicht allzuviel vom Leben zu erwarten, aber das hier sah gut aus.
    »Komm rein«, rief Sally von drinnen. »Es ist super!«
    Harriet bugsierte sich selbst und ihr Gepäck durch die Doppeltür und betrat die Kabine. Ihre Stimmung hob sich noch ein bißchen mehr. Die Wärme, die Kiefernholzverkleidung und der glänzende, schwarze Ofen wirkten einladend. Selbst der Staub, der überquellende Papierkorb und die Kleidungsstücke, die zum Trocknen über dem Ofen hingen, hatten in ihren Augen einen verführerischen Charme, der ihr Herz im selben Maße wärmte wie den Körper.
    Das Haus, das Harriet an diesem Morgen verlassen hatte, war blitzsauber. Kein Staubkörnchen wurde auf den gewachsten, antiken Möbelstücken oder den Meißner Porzellanfiguren geduldet. Die Kissen, die ihre Großmutter so hingebungsvoll bestickt hatte, waren nicht dazu da, um darauf zu sitzen, sondern lediglich, um regelmäßig aufgeschüttelt zu werden. Die aufwendigen, professionell arrangierten Blumensträuße, die ihre Großmutter bevorzugte, wurden immer entsorgt, ehe sie es wagen konnten, ihre Blütenblätter abzuwerfen.
    Die Rose Revived war unkritisch. Hier durfte man seine Kleidungsstücke verstreuen, mit nassen Schuhen über den etwas fleckigen Teppichboden laufen, aufgeschlagene Bücher in den Regalen liegen lassen. Harriet lächelte.
    Der Innenraum war extrem schmal – gut zwanzig Meter Länge, aber kaum zwei Meter Breite gaben ihm die Ausmaße eines schmalen Eisenbahnwaggons. Doch es wirkte keineswegs beklemmend. Nut-und-Feder-Bretter aus goldbraun gebeiztem Kiefernholz bedeckten die Wände. Die beinah verschwenderisch großen Fensterflächen ließen die Sonne herein, die strohfarbenen Leinenvorhänge verstärkten ihren Effekt noch.
    »Da ist mein Zimmer«, May streckte die Hand aus. »Hinter der Küche. Du kannst hier schlafen, im Salon.«
    An der Wand stand eine etwa zwei Meter lange Bank, und Harriet ging auf, daß dies ihr Bett war. Dem Ofen gegenüber war ein unterteilter Klapptisch an die Wand geschraubt, nur ein Abschnitt war hochgeklappt. Farbige Drucke mit Vogelmotiven waren an die Schotten genagelt.
    »Es ist wunderschön.« Harriet ließ sich auf die Bank mit den vielen Kissen fallen und streifte die Schuhe ab. »Wirklich schön. Bist du sicher, daß du mich hier aufnehmen willst?«
    May freute sich über die Anerkennung ihrer neuen Freundinnen und lächelte warm. »Natürlich. So lange du willst. Verstehst du jetzt, warum ich mich für den Job beworben habe? Wenn ich nicht bald eine Anzahlung auf die ausstehenden Liegegebühren mache, muß ich die Rose Revived verkaufen.«
    »Oh, May«, sagte Sally.
    May biß sich auf die Lippen, als sie merkte, wie nahe sie den Tränen war. Hunger, Sorgen und Müdigkeit hatten sich verschworen, ihrem sonst so unverwüstlichen Optimismus das Wasser abzugraben. »Na ja, egal«, fuhr sie betont fröhlich fort. »Wie ich Mike schon gesagt hab’, jetzt habe ich einen Job und eine Untermieterin. Also, wer will Beans on Toast? Ich sterbe vor Hunger.«
    »Oh, für mich nicht«, wehrte Sally ab. »Ich bin auf Diät.«
    May wandte ihre Aufmerksamkeit von ihren eigenen Problemen Sallys Jagdhundfigur zu. »Wieso?«
    »Das hast du doch nicht nötig«, sagte Harriet.
    »Oh, ich weiß. Im Augenblick ist alles in Ordnung. Aber wenn ich nicht teuflisch darauf achte, gehe ich auf wie ein Hefekloß und komme im Handumdrehen auf siebenundfünfzig Kilo. Gräßlich.«
    »Wie groß bist du?« fragte May.
    »Eins achtundsechzig. Aber als Schauspielerin muß man einfach schlank sein. Außerdem meint Piers ...« Plötzlich kam Sally sich unloyal vor und beendete den Satz nicht.
    »Ich setz’ mal die Bohnen auf«, sagte May nach einem kurzen Schweigen und verzog sich in die Kombüse.
    May liebte ihr Boot nicht nur, sie war auch unendlich stolz darauf. Mit der Hilfe ihrer herzensguten, geliebten, aber immer so schrecklich besorgten Eltern hatte sie den Mann ausbezahlt, mit dem sie das Boot eine Zeitlang geteilt hatte, und seit drei Monaten war sie die alleinige Eigentümerin. Aber weil sie schon Hilfe in Anspruch genommen hatte, um das Boot zu kaufen, hatte sie Mikes Vorschlag, ihre Eltern um das Geld für die Liegegebühren zu bitten, unumwunden abgelehnt.

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