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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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konnte ihn nun nicht mehr mit jenem Abscheu betrachten, den sie früher einmal für ihn empfunden hatte – obwohl er nicht aufhörte, vera b scheuungswürdige Dinge zu tun. Er war einfach nur ihr gegenüber anders geworden. Wie sie es vorau s gesagt hatte, lag sie mit sich selbst im Streit. Aber ihm gegenüber ließ sie sich nichts davon anmerken. Zur Zeit trug er noch immer jenen wunderbaren kleinen Kö r per, der sein Geschenk an sie gewesen war, und es machte ihr Freude, ihm Freude zu m a chen. Für diese kurzen Zeiten brachte sie es fertig, nicht an das zu denken, was er tat, wenn er nicht bei ihr weilte. Sie behandelte ihn als den ganz besond e ren Liebhaber, als der er ihr erschien.
    »Was machst du denn da?« fragte er sie, als er von einer kurzen Reise zurückkam und sie beim Stillen des Säuglings antraf. »Bin ich jetzt bei dir abgeme l det?«
    Sie waren allein in Anyanwus Wohnzimmer, und sie warf ihm einen scheinbar unwilligen Blick zu. »Ja, ich glaube schon. Geh wieder weg!«
    Er lächelte und betrachtete das Kind.
    »Wenn wir sieben Monde weiter sind, wirst du der Vater eines anderen Babys sein«, sagte sie.
    »Bist du schwanger?«
    »Ja, ich habe mir ein Kind von deinem jetzigen Körper gewünscht. Ich fürchtete ständig, du könntest ihn zu früh ve r lieren.«
    »Es wird nicht mehr lange dauern«, erwiderte er. »Die Zeit zum Wechseln ist da.« Er schwieg eine Weile, dann fuhr er fort: »Aber so wirst du ja bald für zwei Kinder zu sorgen haben. Wird das nicht z u viel für dich sein?«
    »Ich schaffe das schon. Oder glaubst du das nicht?«
    »Natürlich.« Er lächelte. »Wenn ich nur genügend Leute wie dich und Iye hätte. Diese Susan …«
    »Ich habe ein Heim für ihr Baby gefunden«, unter b rach Anyanwu ihn. »Zwar nicht in der Familie, in der die beiden älteren Geschwister leben, aber es wird sehr liebevolle und aufopfernde Pflegeeltern haben. Und Susan ist groß und kräftig. Sie ist eine gute Felda r beiterin.«
    »Ich habe sie nicht hergebracht, damit man eine Felda r beiterin aus ihr macht. Ich ging davon aus, daß ihr das Z u sammenleben mit deinen Leuten helfen könnte, ein wenig ruhiger zu werden.«
    »Aber genau das ist eingetroffen.« Anyanwu streckte den Arm aus und ergriff seine Hand. »Wenn ich fes t stelle, daß die Menschen zu uns passen, gebe ich ihnen die Mö g lic h keit, selbst zu bestimmen, welche Arbeit sie tun wollen. Das ist für sie die beste Ther a pie. Susan zieht die Arbeit auf den Feldern jeder Art von Hausarbeit vor. Und sie ist bereit, so viele Ki n der zur Welt zu bringen, wie du es von ihr verlangst. Aber mit der Erziehung dieser Kinder wäre sie überfordert. Sie scheint besonders empfindlich gegen ü ber ihren Gedanken zu sein. Irgendwie müssen ihr die G e danken der Kinder irrsinnige Qualen bereiten. Aber davon abgesehen, ist sie ein sehr brauchbarer Mensch, Doro.«
    Doro schüttelte den Kopf, als wolle er den Gedanken an Susan daraus vertreiben. Sekundenlang betracht e te er das trinkende Kind, dann suchte er Anyanwus Blick. »Gib mir etwas von deiner Milch«, bat er le i se.
    Überrascht zuckte Anyanwu zurück. Nie hatte er etwas Derartiges von ihr verlangt, und dies war s i cher nicht das erste Kind, das er sie stillen sah. Aber es gab jetzt viele neue Dinge zwischen ihnen.
    »Ich hatte einen Mann, der regelmäßig an meiner Brust trank«, sagte sie dann.
    »Hast du etwas dagegen?«
    »Nein.«
    Abwartend schaute er sie an.
    »Komm«, sagte sie sanft.
    Einen Tag, nachdem er Anyanwus Milch getrunken ha t te, erwachte Doro in Schweiß gebadet und am ganzen Le i be zitternd. Er wußte, daß die herrliche Zeit in dem stä m migen kleinen Körper vorüber war. Es war kein besonders lei s tungsfähiger Körper g e wesen. Er hatte nur wenig von der Andersartigkeit besessen, die einen Menschen in Doros Augen wer t voll machte. Das Kind, das Doro durch ihn mit Anyanwu gezeugt hatte, mochte einmal sehr schön werden, aber es würde kaum über irgendwelche a u ßergewöhnlichen Fähi g keiten verfügen.
    Nun war der Körper verbraucht. Wenn Doro sich noch länger in ihm aufhielt, konnte das für seine Umgebung ä u ßerst gefährlich werden. Die kleinste Aufregung, ein har m loser Schmerz, Dinge, die er normalerweise gar nicht b e merkte, konnten die No t wendigkeit des Überwechselns ergeben. Ein Mensch, der für ihn wichtig war, konnte das Opfer sein.
    Doro sah hinüber zu Anyanwu, die noch schlafend n e ben ihm lag, und seufzte. Was hatte sie in dieser Nacht

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