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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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teilha f ten Körper eines schlanken, braunhaarigen Weißen zugelegt. Es war ein guter, kräftiger Körper, und Doro hoffte, daß er Anyanwu gefallen würde.
    Sie sagte kein Wort, als sie ihn sah. Sie machte ihm ke i ne Vorwürfe, verfluchte ihn nicht und zeigte ihm gegen ü ber auch keinerlei Feindseligkeit. Sie hatte aber auch kein Wort des Willkommens für ihn.
    »Du hast Susan genommen, nicht wahr?« war alles, was sie sagte. Sie drehte sich auf der Stelle um und ließ ihn st e hen, als er ihre Frage bejahte. Er dachte, wenn sie nicht schwanger wäre, würde sie jetzt ganz bestimmt wieder ins Meer gehen und ihn mit ihren nicht besonders respektvo l len Kindern allein lassen. Sie wußte, daß er ihnen jetzt nichts mehr antun wü r de.
    Ein Glück, daß sie schwanger war. So behielt sie w e nigstens ihre menschliche Gestalt bei. Sie trug ein me n schliches Kind in ihrem Schoß, und falls sie in diesem Z u stand die Gestalt eines Tieres annahm, konnte sie das L e ben des Ungeborenen in höchste Gefahr bringen. Sie hatte einmal mit ihm darüber gesprochen, kurz vor der Geburt eines i h rer ersten Kinder, die sie Isaak schenkte, und er hatte das für eine Schwäche gehalten. Doro zweifelte and e rerseits nicht daran, daß sie imstande war, jede Schwange r schaft ohne fremde Hilfe und ohne Gefahr für das eigene Leben zu unterbrechen. Sie konnte mit ihrem Körper ei n fach a l les tun, was sie wollte. Doch wenn eine Abtreibung ihr auch möglich war, sie würde nie von dieser Möglichkeit G e brauch machen. Wenn sie einmal ein Kind in sich trug, würde sie es auch zur Welt bringen. In all den Jahren, in denen er Anyanwu kannte, hatte sie es ihren Kindern geg e nüber nie an Liebe oder Sorgfalt fehlen lassen. Nicht vor der Geburt und nicht nachher. Doro beschloß, während di e ser Periode der Schwäche bei ihr zu bleiben. Wenn sie erst einmal seine beiden letzten Körpe r wechsel verkraftet hatte, würde er wohl keine Schwierigkeiten mehr mit ihr b e kommen. So glaubte er.
    Es brauchte viele lange und einsilbige Tage, um herau s zufinden, daß er sich geirrt hatte. Schließlich war es Anyanwus jüngste Tochter Helen, die ihm die Augen öf f nete. Das Mädchen schien so manches Mal sehr viel jünger zu sein als zwölf. Sie spielte noch mit anderen Kindern, zankte sich mit ihnen und weinte bei jeder kleinen Verle t zung. Dann aber verwandelte sie sich plötzlich in eine Frau, die den Kö r per eines Kindes besaß. Außerdem war sie ganz und gar die Tochter ihrer Mutter.
    »Sie wird nicht mit dir sprechen«, sagte das Kind zu D o ro. »Sie weiß, daß ich weiß, was sie vorhat.« H e len war zu Doro gekommen und hatte an seiner Seite im kühlen Scha t ten eines mächtigen Eichenbaumes Platz genommen. Eine Zeitlang hatten sie schwe i gend nebeneinandergesessen und Anyanwu zuges e hen, die in ihrem Kräutergarten Unkraut jätete. Der Zutritt zu diesem Garten war anderen Gärtnern und Kindern, die Anyanwu helfen wollten, verboten, denn sie hielten eine große Anzahl von Anyanwus Heilpflanzen für nichts anderes als nutzloses U n kraut. Nach einer Weile wandte Doro den Blick von Anyanwu und sah Helen an.
    »Was meintest du eben?« fragte er. »Was hat sie vor?«
    Das Mädchen schaute zu ihm auf, und er hatte das G e fühl, als blicke ihn eine Frau aus diesen Augen an. »Sie sagte, Kane und Leah würden herkommen und hier wo h nen. Sie sagte, wenn das Baby da sei, würde sie fortgehen.«
    »Ins Meer?«
    »Nein, Doro, nicht ins Meer. Denn eines Tages würde sie das Meer wieder verlassen. Du fändest sie, und sie müßte mitansehen, wie du ihre Freunde t ö test. Ihre Freunde und deine Freunde.«
    »Wovon sprichst du da?« Er faßte sie bei den Armen. Nur mit Mühe konnte er sich davor zurückha l ten, sie heftig zu schütteln.
    Sie schaute ihn an. Ihre Augen funkelten voller Haß. Blitzschnell beugte sie den Kopf und biß ihm mit ihren scha r fen, kleinen Zähnen in die Hand.
    Der Schmerz zwang Doro, sie loszulassen. Das Kind kon n te nicht wissen, in welcher Gefahr es schwebte, als es ihm diesen jähen, unerwarteten Schmerz z u fügte. Wäre dies geschehen, bevor er Susan getötet hatte, Helen würde jetzt nicht mehr leben. Doro hätte sie, einem übermächt i gen Zwang gehorchend, ne h men müssen. Doch er hatte sich vor kurzer Zeit gestärkt, und so besaß er eine größere Kon t rolle über sich. Er hielt seine blutende Hand und sah Helen nach, die davonlief.
    Er stand langsam auf und ging zu Anyanwu hinüber. Sie hatte

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