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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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vor e i nigen Monaten zu ihm gesagt? Daß sich nichts zwischen ihnen wirklich geändert hatte! Sie akzeptierten einander lediglich. Sie würden sich nun gegenseitig helfen, mit ihrer Einsamkeit fertig zu werden. Doch darüber hinaus bliebe alles, wie es war. Nichts hatte sich also geändert. Nach e i nem Wechsel in einen anderen Körper würde sie ihn eine Zeitlang nicht in ihrer Nähe haben wollen. Sie würde sich immer noch weigern, zu verstehen, daß er töten mußte, gleichgültig, ob aus Notwendigkeit, infolge eines Unfalls oder nach freier Wahl. Es gab für ihn in solchen Situati o nen einfach keine Möglichkeit, das Töten zu vermeiden. Ein gewöhnlicher Mensch mochte in der Lage sein, sich selbst verhungern zu lassen, Doro konnte das nicht. Und so war es besser, eine kontrollierte Tötung vorzunehmen, als bis auf den letzten Augenblick zu warten und dann nicht zu wissen, wen er nehmen sollte. Wie viele Mensche n alter würden vergehen bis Anyanwu das verstünde!
    Sie erwachte neben ihm. »Stehst du schon auf?« fragte sie schläfrig.
    »Ja, aber du kannst ruhig weiterschlafen. Es ist noch lange bis zum Morgen.«
    »Gehst du schon fort? Du bist doch gerade erst zurüc k gekommen!«
    Er küßte sie. »Vielleicht bin ich in einigen Tagen wieder zurück.« Um zu sehen, wie sie reagierte. Um sich zu ve r gewissern, daß sich nichts zwischen ihnen verändert hatte – oder vielleicht auch in der Hoffnung, daß sie beide U n recht hatten, daß Anyanwu ihm gegenüber schon ein wenig ve r ständnisvoller geworden war.
    »Bleib doch noch!« bat sie flüsternd.
    Sie wußte Bescheid.
    »Ich kann nicht«, erwiderte er.
    Einen Moment lang schwieg sie, dann stieß sie einen Seu f zer aus. »Du hast geschlafen, während ich das Kind stillte«, sagte sie. »Aber es ist noch genügend Milch für dich da.«
    Er beugte sich zu ihr hinab. Seine Lippen legten sich auf ihre Brust, und er begann zu trinken. Ihre Milch war nah r haft und gut und so süß, wie die Zeit, die er mit ihr ve r bracht hatte. Nun würde für eine Weile der alte Hader zw i schen ihnen wieder aufbrechen. Sie streichelte seinen N a cken, und er gab einen Laut des Behagens von sich.
    Dann verließ er sie und nahm sich Susan. Sie war genau das, was er jetzt brauchte – ein Körper mit ungewöhnlich sensitiven Fähigkeiten. Für seinen Geist von der gleichen Süße und Bekömmlichkeit wie Anyanwus Milch für seinen soeben verlassenen Körper.
    Er weckte Frank, und gemeinsam schafften sie seinen a l ten Körper auf den Sklavenfriedhof. Er wollte nicht, daß einer von Anyanwus Leuten ihn fand und sofort mit der Nachricht zu Anyanwu lief. Sie würde auch ohne das wi s sen, was geschehen war. Er wollte ihr die folgende Zeit so leicht wie möglich machen.
    Als er und Frank die Plantage verließen, zog eine Gru p pe von Landarbeitern mit geschulterten Hacken hinaus auf die Baumwollfelder.
    »Hast du vor, diesen Körper lange zu benutzen?« fragte Frank und streifte Susans große, knochige Gestalt mit e i nem mißfälligen Blick.
    »Nein, ich habe schon bekommen, was ich von ihm brauchte«, sagte Doro. »Schade, es ist ein guter Kö r per. Er könnte ein Jahr lang halten, vielleicht sogar zwei.«
    »Aber Anyanwu würde er nicht besonders guttun.«
    »Vielleicht doch, wenn es sich nicht gerade um Susan handelte. Anyanwu mochte sie. Nur in Notfällen verlange ich von den Leuten, daß sie derartige Gefühle unterdrü c ken.«
    »Du und Anyanwu«, murmelte Frank, »ihr wechselt das Geschlecht, wechselt die Hautfarbe und pflanzt euch fort wie …«
    »Halt deinen Mund«, sagte Doro verstimmt, »oder ich erzähle dir einmal einige Dinge über deine Fam i lie, die dir bestimmt keine Freude machen würden.«
    Frank verstummte erschreckt. Was seine Vorfahren, se i ne alte Virginia-Familie anging, war er sehr em p findlich. Aus irgendwelchen närrischen Gründen bedeutete sie ihm sehr viel. Doro hielt sich mit Gewalt davon zurück, Frank sämtl i che Illusionen zu zerstören, die er über sein blaues Blut oder bezüglich seiner weißen Hautfarbe besaß. Aber es gab ke i nen wirklich ernsthaften Grund für Doro, so e t was zu tun. Keinen, außer der Trauer, die ihn befallen ha t te, weil die schönste Zeit, an die er sich erinnern konnte, zu Ende g e gangen war und weil er nicht wußte, was darauf folgen wü r de.
    Zwei Wochen später, als er zu Anyanwu zurückkam, als er heimkehrte zu Anyanwu, war er allein. Er hatte Frank nach Hause zu seiner Familie geschickt und sich den vo r

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