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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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flüsterte sie.
    Er zögerte. Er wollte sie nicht belügen. Vor allem aber wollte er mit ihr nicht über sein Töten sprechen. »Die Furcht ist es, die es schlimm für sie macht«, sagte er. »Und sie fürchten sich immer. Außerdem … ich habe keinen Grund, besonders sanft mit ihnen umzugehen.«
    »Tust du ihnen weh? Müssen sie leiden, wenn es g e schieht?«
    »Nein, ich fühle, was sie fühlen – daher weiß ich es. Sie empfinden genausowenig Schmerz wie du eben.«
    »Es war – schön«, sagte sie, und in ihrer Stimme lag Verwunderung. »Es war schön bis zu dem Auge n blick, da ich glaubte, du würdest mich töten.«
    Er schwieg. Aber er preßte sie an sich und barg den Kopf in ihrem Haar.
    »Wir sollten nach oben gehen«, sagte sie.
    »Noch nicht.«
    »Was soll ich nur tun?« fragte sie. »All die Jahre habe ich dich gehaßt und bekämpft. Und meine Gründe dafür best e hen immer noch. Keiner davon ist hinfällig geworden. Was soll ich tun?«
    »Was Isaak sich gewünscht hat. Was du dir wünschst. Tu dich mit mir zusammen. Was hast du davon, wenn du mich bekämpfst? Besonders jetzt?«
    »Jetzt …« Sie verstummte. Vielleicht dachte sie an die A u genblicke zuvor. Er hoffte es. Er selbst kam noch nicht d a von los. Er fragte sich, was sie sagen würde, wenn er ihr gestand, daß es noch nie einen Menschen gegeben hatte, mit dem er sich so innig vereinigte wie mit ihr. Kein einz i ger in fast vierta u send Jahren. Seine Leute fürchteten sich davor, auf diese Weise mit ihm in Berührung zu kommen. Gedankenleser, die eine solche Begegnung mit ihm übe r lebten, begriffen sehr schnell, daß sie ein tieferes Eindri n gen in sein Wesen mit dem Tod bezahlen mußten. Sie ler n ten es, auf die Warnungen ihres G e fühls zu achten, sobald sie ihren Übergang hinter sich hatten. Dann und wann traf er auf einen Mann oder eine Frau, die ihm gefielen und mit denen er die Vereinigung mehrmals vollzog. Geduldig li e ßen sie das, was er mit ihnen machte, über sich ergehen. Und ihre verkrampfte, unterwürfige Fügsamkeit gab ihm das Gefühl, sie zu vergewaltigen. Anyanwu d a gegen hatte sich ihm hingegeben, hatte beglückt g e nossen, hatte eine Zeitlang sogar die Führung dabei übernommen und so se i ne Lust aufs Höchste und ganz ungewohnt gesteigert. Ve r wundert und voller Ergötzen schaute er auf sie nieder. Aus ernsten Augen e r widerte sie seinen Blick.
    »Keins von meinen Problemen ist gelöst«, sagte sie. »Im Gegenteil, es ist noch eins hinzugekommen. Denn jetzt muß ich nicht nur gegen dich kämpfen, sondern auch gegen mich selbst.«
    »Du sprichst Unsinn«, sagte er.
    Sie wandte ihm den Kopf zu und küßte ihn.
    »Dann laß mich in diesem Augenblick Unsinn reden!« Sie sah ihn an im Halbdunkel des Raumes. »Du möchtest nicht nach oben gehen, nicht wahr?«
    »Nein.«
    »Dann bleiben wir hier. Meine Kinder werden über mich tuscheln.«
    »Kümmert dich das?«
    »Jetzt redest du Unsinn.« Sie lachte kehlig. »Nach wem habe ich zu fragen? Wessen Haus ist das hier? Ich tue das, was mir gefällt.« Sie hüllte sich und ihn in den weiten Rock ihres Kleides. Sie löschte die Lampe, die neben ihr auf dem Tisch stand und schmiegte sich wohlig müde in seine Arme.
    Anyanwus Kinder tuschelten tatsächlich über sie und Doro. Sie redeten sorglos – mit Absicht, dachte Doro –, und er lauschte ihren Stimmen. Nach einer Weile ve r stummten sie. Vielleicht sprach Anyanwu mit ihnen. Sel t samerweise war Doro diesmal nicht beu n ruhigt. Er wußte, daß sie sich nicht mehr vor ihm fürchteten. Er war für sie einfach nur Anyanwus Liebhaber. Wie lange war es her, daß er einfach der Liebhaber einer Frau gewesen war? Er erinnerte sich nicht. Doch an etwas anderes erinnerte er sich: Auch jetzt durfte er seine Geschäfte nicht vernachlä s sigen, aber er würde sich auf die Siedlungen in der Nachbarschaft b e schränken und dort nach dem Rechten sehen.
    »Bring diesen Körper wieder zu mir zurück«, sagte ihm Anyanwu. »So vollkommen können zwei Kö r per nur selten zusammenpassen.« Und jedesmal, wenn er die Plantage für eine Weile verließ, wiede r holte sie diese Bitte.
    Er lachte nur, aber er versprach ihr nichts. Wer konnte wi s sen, welche Bestrafungen er vorzunehmen, welche Irren er zur Räson zu bringen, welche aufsässigen Politiker, G e schäftspartner, Pflanzer oder son s tige Dummköpfe er zu beseitigen hatte. Aber davon abgesehen, war es schon g e fährlich, ein Schwarzer zu sein in einem Land, in dem alle

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