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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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weder darin, noch verbot er es ihm. Er ließ es zu. Er hatte mit Isaak und Anyanwu große Dinge vor. Wie ausgezeichnet pa ß ten sie zusammen! Trotz der Kommunikation s schwierigkeiten, trotz der in ihnen vorhandenen tödlichen Eigenschaften, trotz ihrer r a dikalen Andersa r tigkeit. Isaak würde Anyanwu heiraten, wenn Doro es ihm befahl. Der Junge wünschte es sich s o gar. Und auch An y anwu würde eines Tages in die Heirat einwilligen, Doro hatte sie immer fester im Griff. Es wü r den Kinder aus dieser Verbindung kommen, und Doro konnte unbeschwert seine Reisen wieder au f nehmen, denn in Afrika warteten noch viele seiner Untertanen auf ihn. Anyanwu würde noch da sein, wenn er nach Wheatley, seiner Stadt in der Nähe New Yorks, z u rückkehrte. Ihre Kinder würden sie dort festhalten, falls ihr Ehemann dies nicht vermochte. Anyanwu konnte ihren Neigungen nac h gehen, sich in Tiere verwandeln oder die Gestalt eines a n deren Menschen annehmen. Sie konnte sich unter Weiße oder Indianer mischen, wenn sie die Lust d a zu verspürte. Doch je größer die Zahl ihrer Kinder, um so schneller wü r de ihr Interesse an solchen Abenteuern erlahmen. Und vor allem würde sie ihre Nachkommenschaft niemals im Stich lassen. Dazu war der Mutterinstinkt in ihr zu ausgeprägt. Sie wü r de bleiben – und wenn Doro einen anderen Mann fände, dessen Eigenschaften er mit den ihren zu kreuzen wünschte, war es ein leichtes für ihn, im Körper dieses Mannes zu ihr zu kommen. Ja, wah r haftig, was war leichter als das!
    Was weniger leicht sein würde, war, Anyanwu die erste empfindliche Lektion in Gehorsam und Unte r werfung zu erteilen. Sie würde nicht einverstanden sein, wenn er sie zu Isaak schickte. Bei ihrem Volk konnte eine Frau sich von ihrem Mann trennen, i n dem sie ihm davonlief und dafür sorgte, daß er se i nen Brautpreis zurückerhielt. Oder ein Mann konnte sich von seiner Frau trennen, indem er sie davonja g te. War der Mann nicht zeugungsfähig, so konnte er seine Frau mit deren Einverständnis einem anderen Mann geben, damit sie dessen Kinder unter dem Namen ihres Ehegatten zur Welt brachte. Starb ihr Ehegatte, so konnte die Frau dessen Nachfolger oder Erben heiraten. Gewöhnlich den ältesten Sohn, vo r ausgesetzt, es war nicht ihr eigener. Aber es gab ke i ne Regelung für das, was Doro wollte: ihr seinen Sohn zu geben, während er, Doro, noch lebte. Anyanwu betrachtete Doro als ihren Ehemann. Es hatte keine Trauungszeremonie zwischen ihnen g e geben, doch das war nicht notwendig gewesen. Sie war kein ju n ges Mädchen mehr, das von seinem V a ter zum erstenmal einem Gatten zugeführt wurde. Es genügte, daß sie und Doro sich füreinander entschi e den hatten. In ihren Augen war es verwerflich, mit einem anderen Mann das Lager zu teilen. Doch ihre Einstellung würde sich ändern, wie sich die Einstellung anderer starker und eigenwilliger Persö n lichkeiten geändert hatten, die mit Doro in Berührung g e kommen waren. Anyanwu würde – genau wie diese – le r nen, daß Doro allein bestimmte, was Recht und was U n recht war.
    In »New York Harbour«, wie Doro den Platz nannte, an dem sein Schiff anlegte, sollten alle außer der Mannschaft von Bord gehen und auf mehrere kleine Flußboote übe r wechseln. Diese würden sie den »Hudson River« hinauf nach Wheatley, Doros Sie d lung, bringen.
    Anyanwu stand neben Doro an der Reling und wartete ein wenig ratlos auf die Ankunft der Boote. Isaak und ein i ge andere waren an Land gegangen, um die nötigen Vorb e re i tungen zu treffen.
    »Wann werden wir umsteigen?« fragte sie Doro auf Englisch. Sie versuchte jetzt immer häufiger, sich in dieser Sprache zu unterhalten.
    »Das hängt davon ab, wie schnell Isaak ein paar geei g nete Boote für uns auftreiben kann«, sagte er. Das bedeut e te: Er wußte es nicht. Welch ein Glück! Anyanwu hoffte, daß die Boote noch lange auf sich warten ließen. Sie brauchte Zeit. Zeit, um die vielen fremden, widersprüchl i chen Eindrücke der Neuen Welt in sich aufzunehmen.
    Von ihrem Standort aus blickte sie auf einige andere große, vollgetakelte Seeschiffe, die im Hafen vor Anker lagen. Kleinere Boote, meist mit dreieckigen Segeln, gli t ten durch das Hafenbecken oder lagen an Seilen vertäut an der Pier, die Doro ihr gezeigt hatte. Doch Schiffe und Bo o te waren ihr inzwischen vertraut geworden. Das Unbekan n te reizte sie. Sie war begierig, zu erfahren, wie die Me n schen hier lebten. Sie hatte mit Isaak an Land gehen wo l

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