Wilde Saat
Nahrung zuzuführen. Ein neues Leben. Einen neuen Körper. Anyanwu würde ihm nicht länger von Nu t zen sein als jeder andere Mensch, den er getötet ha t te.
Deshalb: Anyanwu mußte am Leben bleiben und ihm ein Kind zur Welt bringen. Aber sie war zu mächtig. Doro ha t te festgestellt, daß sein Geist sie in ihrer Delphingestalt – und vorher in ihrer Leopa r dengestalt – nicht zu erreichen vermochte. Sogar wenn er sie sehen konnte, war sein Geist nicht fähig, ihm zu sagen, daß sie es war, die in Tiergestalt vor ihm stand. Es war, als sei ihre Existenz ausgelöscht, als stehe er einem wirklichen Leoparden, einem wirklichen De l phin gegenüber – einem Lebewesen außerhalb seines Einflußbereiches. Und wenn er sie nicht zu erreichen ve r mochte, war er auch nicht i m stande, sie zu töten und ihren Tierkörper anzulegen. In ihrer menschl i chen Gestalt war sie verletzbar, war sie ihm gegenüber hilflos wie jeder a n dere Mensch. Doch als Tier war sie seinem Zugriff entz o gen wie alle anderen Tiere auch. Jetzt hätte er etwas von diesem Einfü h lungsvermögen in die Seele der Tiere haben müssen, das manche seiner Leute als Nebenerzeugnis se i ner Züchtungsversuche besaßen. Diese Leute vermochten eine seelische Verbindung zu Tieren herzuste l len, waren in der Lage, deren Gefühle und Empfindungen wahrzune h men. Sie erlitten Qu a len, wenn jemand in ihrer Nähe einem Huhn den Hals umdrehte, einen Hengst kastrierte oder ein Schwein schlac h tete. Ihr Leben war nur kurz und nicht sehr beneidenswert. Oft tötete Doro sie, bevor sie ihren wertvo l len Körper durch Selbstmord zerst ö ren konnten. Nun hätte er eines dieser Zuchtobjekte hier haben müssen. Aber das war nicht der Fall, und ohne einen von ihnen war seiner Macht über Anyanwu eine g e fährliche Grenze gesetzt.
Und wenn Anyanwu jemals eine Ahnung von den Gre n zen seiner Macht bekam, konnte sie sich ihr entziehen, wann immer sie wollte. Sie konnte ihn verlassen in dem Auge n blick, in dem er etwas von ihr verlangte, das zu tun sie nicht bereit war. Oder sie verließ ihn, wenn sie dahi n terkam, daß er es nicht nur auf sie, sondern auch auf ihre Ki n der abgesehen hatte, die sie in Afrika zurückließ. Sie lebte in dem irrigen Glauben, ihnen durch ihre Ehe mit D o ro die Freiheit erkauft zu haben. Wie konnte sie nur so leich t gläubig sein und annehmen, er verzichte auf ein so wertvolles Menschenpotential? Aber wenn sie die Wah r heit herausfand, würde sie ihm auf der Ste l le davonlaufen, und er hätte sie für immer verloren. Nie zuvor hatte es mit einem Menschen solche Schwierigkeiten gegeben. Nie ha t te ihm irgend jemand entfliehen können. Er verlor Me n schen durch Krankheiten, Unfälle, Kriege und Pannen, die seinen Gehilfen passierten. Menschen wurden ihm geraubt oder umgebracht, wie es mit den Bewohnern des Sava n nendo r fes geschehen war. All dies war schlimm genug. Es war Vergeudung, sinnlose Ze r störung, und er war dabei, dem irgendwie ein Ende zu machen, indem er seine Leute nach Amerika brachte. Dort lagen ihre Städte und Siedlu n gen w e niger weit voneinander entfernt. Aber kein einzelner hatte es jemals fertiggebracht, ihm zu entfliehen. Diejen i gen, die ihm davonliefen, wurden wieder ei n gefangen und in den meisten Fällen getötet. Sein eigenes Volk wußte Besseres, als ihm for t zulaufen.
Anyanwu jedoch, Wildsaat, die sie war, wußte das nicht. Noch nicht.
Er würde es ihr beibringen müssen. Sie brauchte unve r züglich ihre Lektion, und er mußte auf der Stelle damit b e gi n nen, sie für seine Pläne einzusetzen. Er wollte so viele Kinder wie möglich von ihr, bevor es unumgänglich wu r de, sie zu töten. Wildsaat mußte letztlich immer vernichtet werden. Sie vermochte sich nicht einzufügen und anzupa s sen, blieb ungezähmt und ungebändigt. Aber wie keine a n dere Wildsaat würde Anyanwu lernen, ihn zu fürchten und sich seinem Willen zu unterwerfen. Er würde sie zur Au f zucht und zum Heilen von Wunden und Krankheiten ei n setzen. Er würde ihre Kinder dazu benutzen, einen neuen, länger lebenden Typ von Menschen zu schaffen. Die läst i ge Eigenschaft der Gestaltveränderung konnte er wah r scheinlich durch entsprechende Kreuzungen eliminieren, falls sie überhaupt erscheinen würde. Die Tatsache, daß diese Eigenschaften so lange Zeit nicht erschienen waren, ließ vermuten, daß es ihm möglich sein würde, sie gänzlich auszulöschen. Er durfte allerdings nicht übersehen, daß keine von Anyanwus
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