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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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dich gewarnt haben, wenn ich daran gedacht hätte – glaub mir! Keiner von den Le u ten, die mit uns gegessen haben, konnte wissen, daß Milch dir nicht bekommt. Ich versichere dir, niemand von ihnen lacht über dich.«
    Sie zögerte. Es klang ernst, was er sagte. Es war also ein Mißverständnis. Dennoch … »Kochen diese Le u te ständig mit Tiermilch?«
    »Ständig«, erwiderte Doro. »Und sie trinken die Milch auch. Es ist ihre Gewohnheit. Sie halten sich sogar Tiere nur zu diesem Zweck.«
    »Welch ein Greuel!« stieß Anyanwu angeekelt he r vor.
    »Nicht für sie«, entgegnete Doro. »Und du wirst sie nicht beleidigen, indem du ihnen vorwirfst, sie würden e t was Falsches tun!«
    Sie blickte ihn an. Er machte selten den Eindruck, and e ren Befehle zu erteilen. Doch in diesem M o ment gab es nicht den geringsten Zweifel, daß er ihr einen Befehl geg e ben hatte. Sie schwieg.
    »Du kannst dich in Tiere verwandeln, wann immer du willst«, sagte er. »Du weißt sehr genau, daß Tiermilch nichts Schlechtes ist.«
    »Aber sie ist für Tiere da«, wiedersprach sie. »Und ich bin jetzt kein Tier. Und ich habe auch nicht mit Tieren z u sammen gegessen.«
    Er seufzte. »Du weißt, daß du dich den Gebräuchen hier anzupassen hast. Du hättest keine dreihundert Jahre alt werden können, wenn du es nicht gelernt hättest, dich i m mer wieder umzustellen.«
    »Ich will keine Milch mehr haben!«
    »Das ist auch nicht nötig. Aber laß die anderen in R u he!«
    Sie drehte den Kopf zur Seite. Noch nie in ihrem langen Leben hatte sie unter Menschen gelebt, die dieses Verbot übertreten hatten.
    »Anyanwu!«
    »Ich werde gehorchen«, murmelte sie. Dann sah sie ihn trotzig an. »Wann werde ich mein eigenes Haus haben? Meine eigene Kochstelle?«
    »Wenn du gelernt hast, damit umzugehen. Welche Spe i se könntest du mit Nahrungsmitteln zubereiten, die du nie zuvor gesehen oder gekostet hast! Sarah Cutler wird dir zeigen, was du wissen mußt. Sag ihr, daß dir von Milch übel wird. Dann wird sie die Speisen, die mit Milch zub e reitet werden, weglassen.« Seine Stimme war leiser gewo r den, und er setzte sich zu ihr aufs Bett. »Von Milch wird es dir übel, nicht wahr?«
    »Ja. Sogar mein Körper weiß, daß es ein Greuel ist.«
    »Aber allen anderen bekommt sie gut. Niemand wird krank davon.«
    Sie blickte ihn nur an.
    Er schob die Hand unter das Laken und massierte sanft ihren Leib. Sie lag entspannt in den viel zu weichen Fede r kissen. »Hast du dich schon geheilt?« fragte er.
    »Ja. Aber bei einem so reichlichen Essen dauert es la n ge, bis ich weiß, was mich krank gemacht hat.«
    »Mußt du das wissen?«
    »Natürlich. Wie kann ich etwas zu meiner Heilung tun, wenn ich nicht weiß, welche Art von Heilung notwendig ist. Ich glaube, ich kenne alle Krankheiten und Gifte me i nes Volkes. Die Krankheiten und Gifte deines Landes muß ich noch kennenlernen.«
    »Ist dieses Lernen nicht mit Schmerzen für dich verbu n den?«
    »Ja, natürlich. Doch nur am Anfang. Wenn ich die Krankheiten einmal kenne, ist es gut.« Ihre Stimme nahm einen lockenden Klang an. »Leg deine Hand wieder hin. Du da r fst mich auch anfassen, wenn ich mich wohl fühle.«
    Doro lächelte, und die Spannung zwischen ihnen ließ nach. Seine Berührungen wurden intimer.
    »Das ist gut«, hauchte sie. »Ich habe mich genau zur rechten Zeit geheilt. Komm, leg dich zu mir und zeige mir, weshalb alle diese Frauen dich so ansehen!«
    Er lachte leise, legte das Tuch um seine Lenden ab und kam zu ihr.
    »Wir müssen miteinander reden. Heute Nacht noch«, sagte er später zu ihr, als sie erschöpft und gesättigt nebeneina n der lagen.
    »Fühlst du dich denn jetzt noch kräftig genug zum R e den, Mann?« fragte sie träge. »Ich dachte, du würdest jetzt einschlafen und bis zum Morgen nicht mehr wach we r den.«
    »Nein.« Seine Stimme klang ernst. Anyanwu hatte den Kopf an seine Schulter gebettet, denn in der Vergangenheit hatte er ihr zu erkennen gegeben, wie sehr er es mochte, wenn er während des Einschlafens ihren Körper spürte. Überrascht richtete sie sich auf und blickte ihn an.
    »Du bist nun in deiner neuen Heimat, Anyanwu.«
    »Ich weiß.« Sie litt unter der unpersönlichen Frem d heit in seiner Stimme. Es war die Stimme, mit der er die Me n schen einschüchterte. Die Stimme, die sie vergessen mac h te, daß er ein gewöhnlicher Mann war.
    »Du bist zu Hause, aber ich werde mich in einigen W o chen wieder auf den Weg machen.«
    »Aber …«
    »Kein Aber.

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