Wilde Saat
ist anders. Es ist mein Land. Die meisten Menschen hier leben, weil ich ihre Vorfahren dazu g e bracht habe, Ehen miteinander zu schließen, wie es a n derswo nicht üblich ist. Dennoch geht es ihnen gut. Sie le i den keinen Mangel. Kein ungnädiger Gott straft und züc h tigt sie. Ihre Er n ten reifen, und die Bäume tragen Früchte Jahr für Jahr.«
»Und manche von ihnen hören die Gedanken anderer, und ihre Köpfe sind so voll davon, daß sie keine eigenen G e danken mehr zu denken vermögen. Manche von ihnen nehmen den Strick und erhängen sich.«
»Auch in deinem Volk haben sich Menschen e r hängt.«
»Nicht aus solch grauenhaften Gründen.«
»Jedenfalls starben sie. Anyanwu, gehorche mir. Das Leben hier kann sehr schön für dich werden. Und du wirst keinen besseren Mann finden als meinen Sohn!«
Sie schloß die Augen, widerstand seinen Bitten g e nauso, wie sie seinen Befehlen widerstanden hatte. Sie versuchte auch der ständig wachsenden Furcht zu widerstehen, doch es gelang ihr nicht. Sie wußte, wenn er weder mit Bitten noch Befehlen Erfolg ha t te, würde er damit beginnen, ihr zu drohen.
In ihrem Leib tötete sie seinen Samen. Sie verschloß die zwei engen Kanäle, durch die ihre Eizellen in die Gebä r mutter wanderten. Sie hatte das schon viele Male so g e macht, wenn sie glaubte, einem Mann genug Kinder g e schenkt zu haben. Nun tat sie es, um jede Zeugung zu ve r hindern. Um zu verhindern, daß man sie mißbrauchte. D a nach richtete sie sich auf und sah auf ihn nieder. »Du hast mir Lügen erzählt – von dem Tag an, da wir uns begegnet sind«, sagte sie leise.
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe dich nicht bel o gen!«
»›Laß mich dir Kinder geben, die am Leben bleibend hast du gesagt. ›Ich verspreche dir, wenn du mit mir kommst, werde ich dir Kinder geben, die sind, wie du selbst‹, hast du gesagt. Und nun schickst du mich zu einem anderen Mann. Nichts, gar nichts hast du mir gegeben!«
»Du wirst meine Kinder zur Welt bringen und die von Isaak.«
Wie vom Schmerz gepeinigt, schrie sie auf und flüchtete aus dem Bett. »Gib mir ein anderes Zimmer!« stieß sie hervor. »Ich will hier nicht länger bleiben, zusammen mit dir. Lieber schlafe ich auf dem nackten Fußboden!«
Er lag reglos, als hätte er ihre Worte nicht gehört. »Schlaf, wo immer du willst«, sagte er nach einer Weile.
Sie starrte ihn an, zitternd vor Angst und Furcht. »Was ist es, das du aus mir machen willst? Deinen Hofhund? Ich empfand Zuneigung zu dir. Menschenleben sind verga n gen, seitdem ich einen Mann so sehr mochte wie dich!«
Doro schwieg.
Sie trat auf das Bett zu und schaute in sein ausdrucksl o ses Gesicht. Sie entschloß sich, es mit Bitten zu versuchen. Nicht daß sie glaubte, ihn dadurch von seinem gefaßten Plan abbringen zu können, aber es stand zu vieles auf dem Spiel. Sie mußte es einfach versuchen.
»Ich kam her, um deine Frau zu sein«, sagte sie. »Doch immer sind andere da. Andere, die für dich kochen, andere, die dich umsorgen, andere, die alle Dienste einer Ehefrau für dich verrichten. Und wenn es diese anderen nicht gäbe, so weiß ich auch zu wenig von diesem Leben hier und würde dir nur eine armselige Hilfe sein. Du wußtest genau, daß es so kommen würde, dennoch wolltest du mich – und ich wollte dich. So sehr, daß ich bereit war, wieder wie ein kle i nes Kind zu beginnen, unwissend und vollkommen unerfahren.« Anyanwu seufzte und blickte sich im Raum um. Ve r zweifelt suchte sie nach Worten, die sein Herz zu rü h ren vermochten. Doch da waren nur diese fremden Gegenstä n de: der Tisch, das Bett, die große hölzerne Truhe neben der Tür, die zur Aufbewahrung von Kleidern diente, zwei Stühle und auf dem Fußboden mehrere Matten – Teppiche – aus schwerem, fa r benprächtigem Wollgeflecht. Die Dinge w a ren ihr genauso fremd wie Doro selbst. Sie gaben ihr ein Gefühl der Hof f nungslosigkeit – als sei sie an diesen fremden Ort nur g e kommen, um zu sterben. Anyanwu starrte ins Feuer – das einzig Vertraute in diesem Raum – und flüste r te:
»Mann, es mag gut sein, daß du fortgehst. Ein Jahr oder zwei, das ist keine lange Zeit. Nicht für uns. Ich bin sehr oft so lange allein gewesen. Wenn du zurückkommst, we r de ich gelernt haben, wie ich dir hier eine gute Ehefrau sein kann. Ich werde uns g e sunde Söhne zur Welt bringen.« Sie wandte ihm wieder das Gesicht zu und sah, daß er sie nachdenklich beobachtet hatte. »Stoß mich nicht von dir, b e vor ich
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