Wilde Saat
Ich habe noch andere Leute, um die ich mich kümmern muß. Sie brauchen meine Gege n wart, damit sie wissen, daß sie immer noch zu mir gehören. Mein Volk lebt überall auf der Erde ve r streut. Ich muß sie suchen und sammeln. In drei ve r schiedenen Städten habe ich Frauen, die wunderbar begabte Kinder zur Welt bringen könnten, wenn ich ihnen die richtigen Partner aussuche – und so weiter und so weiter.«
Anyanwu stieß einen Seufzer aus und drückte sich tiefer in die Kissen. Er hatte vor, sie allein unter den fremden Menschen zurückzulassen. Sein Entschluß war gefaßt. Keine Macht der Erde würde daran etwas ändern. »Wann kommst du zurück?« fragte sie erg e ben. »Es wird ein Sohn auf dich warten.«
»Bist du denn schwanger?«
»Es ist möglich, daß ich es jetzt werde. Dein Samen ist noch lebendig in mir.«
»Nein!«
Sie zuckte zusammen, entsetzt über die Heftigkeit, mit der er auf ihre Worte reagierte.
»Das ist nicht der Körper, mit dem ich deine ersten Ki n der zeugen will!«
Sie zuckte die Schultern. »Es ist gut«, sagte sie beilä u fig. »Ich werde warten, bis du einen anderen … bis du ein a n derer Mann geworden bist.«
»Du brauchst nicht zu warten. Ich habe andere Pläne mit dir.«
Anyanwu spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufstel l ten.
»Welche Pläne?«
»Ich möchte, daß du heiratest«, entgegnete er. »Du wirst es tun in der Form, die hier unter den Menschen gebräuc h lich ist, mit einer Heiratserlaubnis und einer feierlichen Tra u ung.«
»Gut, ich bin einverstanden, obwohl es für mich kein Unterschied ist.«
»Aber du wirst nicht mich heiraten!«
Fassungslos starrte sie ihn an. Er lag auf dem Rücken und blickte zu einem der mächtigen Balken hinauf, die die D e cke trugen.
»Du wirst Isaak heiraten«, verkündete er. »Ich wü n sche mir Kinder von euch beiden. Und ich möchte, daß du einen Ehemann hast, der mehr für dich tut, als dich nur zweimal im Jahr für kurze Zeit zu bes u chen. Oft genug bin ich Jahre unterwegs. Ich will nicht, daß du so lange allein bist.«
»Isaak?« flüsterte sie. »Dein Sohn?«
»Mein Sohn. Er ist ein guter Mann. Er begehrt dich, und ich wünsche, daß du seine Frau wirst!«
»Er ist noch ein Junge. Er ist …«
»Welcher Mann ist für dich kein Junge außer mir? Isaak ist viel mehr ein Mann, als du denkst.«
»Aber – er ist dein Sohn. Wie kann ich den Sohn heir a ten, wenn sein Vater, mein Mann, noch lebt? Das ist Blu t schande!«
»Nicht, wenn ich es befehle!«
»Du kannst das nicht befehlen. Es ist gegen die N a tur!«
»Du hast dein Dorf verlassen, Anyanwu, deine Stadt, dein Land und dein Volk. Du lebst nun da, wo ich regiere. Und in meinem Volk ist nur eins gegen die Natur: Ung e horsam gegen meinen Willen. Du wirst gehorchen!«
»Nein, das werde ich nicht: Was falsch ist, ist falsch. Manche Dinge ändern sich von Ort zu Ort, von Land zu Land, dieses nicht! Wenn dein Volk sich verunreinigen will, indem es Tiermilch zu sich nimmt, werde ich den Kopf dr e hen und nicht hinsehen. Es ist ihre Schande, nicht meine! Doch nun verlangst du von mir, daß ich mich selbst in Schande stürze und mich mit ihnen auf eine Stufe stelle. Wie kannst du nur so etwas tun, Doro? Du versündigst dich nicht nur an mir, sondern auch an diesem Land. Seine Er n ten werden verdorren, die Bäume werden keine Früchte mehr tragen!«
Er ließ einen Laut des Unwillens hören. »Dummes Zeug, was du da redest! Ich glaubte, eine Frau gefunden zu haben, die zu klug ist, einen solchen U n sinn zu reden!«
»Du hast eine Frau gefunden, die sich nie selbst bes u deln wird. Wie ist das bei euch? Schlafen die Sö h ne mit ihren Müttern? Liegen Schwester und Bruder zusammen auf e i nem Lager?«
»Frau, wenn ich es verlange, liegen sie beieinander – und sind glücklich.«
Anyanwu rückte von ihm ab, bis ihre Körper sich nicht mehr berührten. Er hatte schon früher davon gesprochen. Selbst vor dem Verbot der Blutschande machte er nicht halt. Ihre eigenen Kinder wollte er untereinander paaren wie Hunde, ihre Verwandtschaft mißachtend. Voller A b scheu und Angst hatte sie ihn so rasch sie konnte, aus i h rem Land g e führt. Ihre Kinder hatte sie vor ihm bewahrt, doch – wer bewahrte sie selbst nun vor ihm?
»Ich möchte Kinder aus der Vereinigung eurer beiden Körper«, begann Doro wieder. Er stützte sich auf den El l bogen und beugte sich über sie. »Sonne n frau, würde ich etwas von dir fordern, das meinem Volk schaden könnte? Dieses Land
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