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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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und mit braunem Haar, mußte in Isaaks Alter sein. Der Gedanke an Isaak ließ Anyanwu überrascht den Kopf wenden. Sie sah Doro an.
    »Wo ist Isaak?« fragte sie. »Du hast gesagt, dies hier sei sein Heim.«
    »Er ist bei einem Freund«, gab Doro ihr zur Antwort. »Er wird später kommen.«
    »Das will ich hoffen«, sagte Sarah. »Sein erster Abend nach der Heimkehr, und er ist nicht da, um mit uns zu e s sen.«
    »Er hat seine Gründe«, erklärte Doro ihr. Darauf schwieg Sarah.
    Anyanwu flüsterte nicht länger, sie begann zu reden. Dabei achtete sie darauf, daß sie den Löffel bei der Suppe gena u so hielt und zum Munde führte wie die anderen und daß sie das Fleisch, das Brot und die Süßigkeiten vo r schriftsmäßig mit den Fingern aß. Die Tischgewohnheiten waren hier strenger als auf dem Schiff, aber Anyanwu pa ß te sich ihnen an. Sie sprach auch mit dem scheuen Mä d chen und erfuhr, daß sie eine Indianerin war – eine vom Stamm der Irokesen. Doro hatte sie mit Blake Cutler ve r heiratet, weil beide ein wenig von der Wahrnehmungsf ä higkeit besaßen, die für ihn von Wichtigkeit war. Beide schienen glücklich zu sein über ihre Ehe. Anyanwu dachte, daß sie selbst über ihre Ehe mit Doro noch glücklicher sein würde, wenn sie ihre Leute in der Nähe gehabt hätte. Es würde für die Ki n der, die sie Doro schenkte, gut sein, wenn sie die Welt ihrer Mutter genausogut kennenlernten wie die Welt ihres Vaters, wenn sie sich der Tatsache bewußt wu r den, daß es in der Welt auch ein Land gab, wo eine schwarze Hautfarbe nicht gleichbedeutend mit Skl a ventum war. Sie beschloß, ihren Kindern viel von Afrika zu erzä h len, gleichgültig, ob Doro damit ei n verstanden war oder nicht. Ja, sie würde dafür so r gen, daß der Gedanke an ihr Heimatland in ihren Kindern lebendig blieb und daß sie nie verg a ßen, wer sie waren.
    Anyanwu war stolz auf ihr Land und ihre Absta m mung. Deshalb stellte sie mit Erstaunen fest, daß das Irokese n mädchen sich ihrer Herkunft zu schämen schien, als j e mand am Tisch von einem Indiane r überfall zu erzählen begann. Sofort beteiligten sich auch die anderen voller E i fer an dem Gespräch. Mit hochroten Köpfen berichteten sie Doro, daß »Praying Indians« und eine Gruppe weißer Le u te – Fra n zosen seien es gewesen – Anfang des Jahres in eine Stadt westlich von Wheatley eingefallen seien. Sie hätten eine Reihe von Einwohnern niedergemacht und a n dere verschleppt. Die Stadt trug den fast unaussprechlichen Namen Schenactady. Die Weißen am Tisch überschlugen sich fast vor Aufregung, und man spürte deutlich die Furcht in ihren Stimmen. Doro beruhigte sie, indem er ve r sprach, Isaak in Wheatley zu lassen. Außerdem hätten sie ja auch noch seine Tochter Anneke, die bald in den vollen Besitz ihrer Kräfte gelangen werde. Die Me n schen atmeten erleichtert auf. Anyanwu hatte längst nicht jedes Wort der Unterhaltung verstanden, aber sie fragte, ob Wheatley schon einmal angegriffen wo r den sei.
    Doro lächelte unbehaglich. »Zweimal von Indianern«, sagte er. »Zufällig war ich beide Male hier. Seit dem zwe i ten Überfall vor dreißig Jahren hatten wir Ruhe.«
    »Das ist lange her. Sie werden alles längst vergessen h a ben.« Sarah wandte sich an Anyanwu. »Das gibt einen neuen Krieg, Anyanwu. Franzosen und Praying Indians!« Sie schüttelte voller Abscheu den Kopf.
    »Papisten«, stieß ihr Mann hervor. »Bastarde!«
    »Mein Volk könnte Ihnen sagen, welche mächtigen Geister hier leben«, flüsterte das Irokesenmädchen und l ä che l te.
    Doro schaute sie an, als wollte er feststellen, ob ihre Worte ernst gemeint waren, aber sie senkte den Kopf.
    Anyanwu berührte Doros Hand. »Siehst du!« sagte sie. »Ich habe dir immer gesagt, du seist ein Geist!«
    Alle lachten bei ihren Worten, und Anyanwu begann sich etwas wohler unter ihnen zu fühlen. Bei der nächsten Gelegenheit würde sie herausfinden, was Papisten und Praying Indians waren und um was es bei ihrem Streit mit den En g ländern ging. Für heute waren genug neue Dinge auf sie eingestürmt. Sie entspannte sich und gab sich ganz dem Genuß des Essens hin.
    Zu sehr, wie sie schon bald feststellte. Plötzlich verspü r te sie starke Magenschmerzen. Es gelang ihr jedoch, sich vor den anderen nichts anmerken zu lassen. Im stillen hatte sie große Angst davor, sich erbrechen zu müssen, was ihr vor all diesen Menschen sehr peinlich gewesen wäre. Schlie ß lich war die Mahlzeit zu Ende, und Doro führte

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