Wilde Wellen
einsatzfähig.« Nackt wie er war hastete er durch das unaufgeräumte Zimmer, suchte sich seine Sachen zusammen und verschwand im Bad.
»Oder willst du schon mal vorausfahren? Ich komme dann sofort â¦Â«
»Ich wollte dir nur einen schönen Tag wünschen. Ich muss nach Brest. Hab eine Menge zu erledigen.«
Caspar kam noch einmal aus dem Bad heraus. Er hatte ein Handtuch um seinen Bauch geschlungen, das er lässig festhielt.
»Nach Brest? Na, dann viel SpaÃ. Und mach dir keine Sorgen, ich rocke den Laden schon.«
Leon konnte nicht gehen. Es fiel ihm so schwer, in diesem hübschen Mann einen Erpresser zu sehen. Er hoffte, dass er irgendetwas würde entdecken können, das auf eine Verwechslung deutete, irgendetwas, das auf Caspars Unschuld hinwies.
»Da bin ich mir sicher. Ach, Caspar, was ich mir überlegt habe â wenn du so weitermachst, würde ich dir gern spätestens zum neuen Jahr Prokura geben.«
»Ey, super. Das freut mich, dass du mir so vertraust, Mann.«
Diese freudige Ãberraschung in seiner Stimme. Dieser freundschaftliche Klaps auf die Schulter. Alles gespielt?
»Ich hoffe, dass ich bis dahin auch schon so weit bin, so viel Verantwortung zu übernehmen. Du weiÃt ja, ich will dich nicht enttäuschen.«
Er ging nun wirklich unter die Dusche zurück. Leon hörte das Wasser prasseln. Und die raue Stimme seine Sohnes, die unbekümmert ein Beatles-Lied sang.
»Michelle, ma belle â¦Â«
Er hatte nicht mit der Wimper gezuckt, als Leon ihm die Prokura angeboten hatte. Hatte sich gefreut, wie sich jeder ehrgeizige junge Mann freuen würde. Leon verstand nicht, was Caspar für ein Spiel spielte. Er hatte keine Idee, was sein Sohn plante. Er hatte ihn verloren.
So nicht, Alter, dachte Caspar, als er sich unter der Dusche mit dem teuren Duschgel einseifte, das ihm seine Mutter immer besorgte. Damit kannst du mich nicht aufhalten.
Fein hatte sein Vater sich das ausgedacht. Ihm Prokura zu geben. Und ihn damit noch enger an die Firma zu ketten. Es sollte wohl ein Lob für seine Arbeit sein. Oder ein Vertrauensbeweis.
Pech gehabt. Im neuen Jahr bin ich schon längst am anderen Ende der Welt. In meinem neuen Leben â¦
Er hatte diesen traurigen Schimmer in den Augen seines Vaters sehr wohl gesehen. Ja, erpresst zu werden war nicht schön. Die Million würde er sicher verschmerzen. Aber das Gefühl, einem Unbekannten ausgeliefert zu sein, dass musste weh tun. Er hatte es ihm gegeben. Er, Caspar, hatte den groÃen Leon Menec in die Knie gezwungen. Was für ein groÃartiges Gefühl.
Marie stieg vom Rad, als sie zu der von eindrucksvollen Eichen gesäumten Auffahrt kam, die zu Leons Schloss führte. Noch standen die alten Bäume im dichten Laub, das sich wie ein Dach über den sandigen Weg spannte. Obwohl Leon sie wiederholt eingeladen hatte, ihn einmal zu besuchen, war es nun das erste Mal, dass sie wirklich zum Schloss ging, das sich am Ende der Auffahrt prächtig aufbaute. Als wolle sie noch etwas Zeit gewinnen, schob sie ihr Rad langsam die kleine Anhöhe hinauf. Versuchte währenddessen, ihre Gedanken zu ordnen. War es wirklich richtig, Leon Menec um Hilfe zu bitten? War es nötig? Was erwartete sie überhaupt von einem Mann, von dem sie dachte, dass er erpresst wurde? Aber hatte sie denn eine Wahl? Sie kannte kaum jemanden in der Gegend. Und schon gar keinen Anwalt. An wen, wenn nicht an Leon konnte sie sich wenden? Es musste ihr einfach egal sein, was sie gesehen hatte. Falls Leon wirklich erpresst werden sollte, musste sie das von sich wegschieben. Seine Probleme gingen sie nichts an. Das Problem ihres Vaters dagegen schon. Leon musste ihm helfen.
»Marie.« Leon wunderte sich nicht, als er Marie die Auffahrt zum Schloss heraufkommen sah.
»Ich bin schon auf dem Weg nach Brest. Mein Anwalt Maître Jumas wird sich um Michel kümmern. Spätestens heute Abend ist er wieder zu Hause.«
»Genau darum wollte ich dich bitten. Ich kenne hier keinen Anwalt, und da dachte ich, dass du vielleicht â¦Â«
»Ich hab die Sache schon in die Hand genommen. Mach dir keine Sorgen. Diese absurde Verdächtigung wird sich in kürzester Zeit in nichts auflösen.«
Er glaubte an Michels Unschuld. Marie war unendlich erleichtert. Wenigstens einer, der Michel nicht sofort verurteilte.
»Ich kann mir vorstellen, wie dir zumute ist. Der eigene Vater unter so einem
Weitere Kostenlose Bücher