Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
Vom Netzwerk:
Concarneau war? War er schon vor der Vernissage angekommen? Hatte sie gewusst, dass er auf sie wartete, als sie ihn in Sabines Küche geküsst hatte? Aber dieser Kuss – war er nicht so etwas wie ein Versprechen gewesen? Und eine Versöhnung? Und eine Verheißung? Plötzlich wusste er nicht mehr, ob er seinen Gefühlen trauen konnte. Wieder einmal wusste er es nicht. Andererseits, Thomas Berger war gerade weggefahren. Er war in diesem Moment, in dem es Marie einfach nicht gut gehen konnte, nicht hiergeblieben. An ihrer Seite. Er hatte sich ins Auto gesetzt und war gefahren. Würde er das tun, wenn sie noch zusammen wären?
    Wieso war er nicht zu Hause? Jetzt, da sie ihn gebraucht hätte, war er nicht da. Wusste er überhaupt von Michels Verhaftung? Vielleicht saß er ahnungslos in der Uni über seinen Studien. Sie verfluchte ihr Handy zum tausendsten Mal an diesem Morgen. Wie oft hatte sie sich vorgenommen, den Akku austauschen zu lassen. Aber war es nicht immer so? Immer wenn man die verdammten Dinger am nötigsten brauchte, gaben sie den Geist auf. Sie hinterließ eine Notiz auf dem Küchentisch, küsste Merlin, der treu und geduldig auf seinen neuen Herrn wartete, auf den schönen Kopf.
    Â»Salut, mein Schöner. Es ist so schade, dass du nicht reden kannst. Du würdest ihnen doch erzählen, dass Michel es nicht war, oder?«
    Sie fröstelte, als sie auf die Terrasse des Leuchtturmhauses trat. Der Wind hatte gewechselt. War er noch gestern mild und spätsommerlich gewesen, kam er jetzt von Norden und brachte eine schneidende Kälte mit. Die Wolken hingen tief über dem Meer, dessen bleigraue Wellen mit blendend weißen, unheilverkündenden Schaumkronen versehen waren. Sie zuckte zusammen, als sie die Schreie vernahm. So qualvoll klangen sie, als würden sie vom Tod künden. Obwohl sie sie schon einige Male gehört hatte, lief ihr wieder ein Schauer über den Rücken. Vor ihren Augen erstand das Bild des Schiffes, das von der tosenden Macht der Wellen hin und her geworfen wurde. Wie ein winziges Ruderboot war es der Gewalt der Natur ausgeliefert. Unsteuerbar. Unrettbar. Das Geräusch des berstenden Stahls, als es in der Mitte auseinanderbrach, schlug über Maries Kopf zusammen, ein tiefes, fast menschliches Stöhnen, übertönt von den Todesschreien der Männer, die mit dem Schiff in der Tiefe versanken. Hatte damals alles angefangen? Als zwölf Männer ihr Leben verloren und nur ein einziger, ihr Vater, es schaffte, sich zu retten?
    Die Erleichterung, die sich Pauls bemächtigte, als er Marie vor seinem Haus stehen sah, als er auf dem Motorrad herangefahren kam, wich in einer Sekunde der Sorge, als er die Verzweiflung spürte, die sich in ihrem Gesicht eingrub. Sie festhalten, sie wärmen, sie beschützen – das war es, was er tun wollte. Der Ärger darüber, dass sie ihm nichts von Thomas erzählt hatte, löste sich in dem Moment in nichts auf, als er das Zittern, das ihren Körper erschütterte, spürte.
    Â»Paul.« Wie ein Schluchzen klang es, als sie sich an ihn drängte.
    Â»Ich habe gehört, was geschehen ist.« Er drückte sie eng an sich. Seine Arme umschlangen sie fest. Er würde sie nicht mehr loslassen.
    Â»Es war sein Auto. Daran gibt es keinen Zweifel. Die Scherbe, die ich gefunden habe, ist der Beweis.« Dieser furchtbar trostlose Blick, mit dem sie ihn ansah. »Wenn ich daran denke, dass die Polizei die Ermittlungen eingestellt hatte. Ich bin schuld, dass sie ihn verhaftet haben. Ich habe nicht lockergelassen. Bis ich diese verdammte Scherbe gefunden habe. Ich habe meinen Vater ins Gefängnis gebracht.«
    Ihre Schuldgefühle waren übermächtig.
    Â»Du glaubst trotzdem nicht, dass er es war?«
    Paul zog sie in sein Haus. In dem Moment, als er die Tür hinter sich zuzog, herrschte Stille.
    Â»Wenn du seinen Blick gesehen hättest. Diese Enttäuschung. Er hat geglaubt, dass ich ihn verraten hätte. Dabei hatte ich gar keine Zeit gehabt, die Kollegen zu rufen.«
    Â»Also glaubst du …«
    Â»Ich weiß überhaupt nicht, was ich glauben soll. Als Polizistin sehe ich die Beweise. Es muss dieses Auto gewesen sein. Von dem keiner etwas wusste. Wer also außer ihm soll es gefahren haben?«
    Â»Aber er leugnet es?«
    Ich habe Céline nicht getötet . Diese furchtbare Verzweiflung konnte doch nicht gespielt sein. Und diese

Weitere Kostenlose Bücher